Episode Transcript
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(00:00):
Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von TV-Helden, der
Branchen-Podcast für alle, die sich professionell mit Fernsehen beschäftigen.
Mein Name ist Christoph Köller.
(00:24):
Die angemessene Vergütung für Leistungen, das ist eigentlich
immer ein Thema, vor allem aber im Urheberrecht und dort in
der Film- oder der Produktionsbranche. Da gab es ein paar
prominente Prozesse, vielleicht einer von denen jeder schon mal gehört hat, ist der
vom Kameramann von Das Boot. Hier mal ein
paar Einblicke zu gewinnen und zu lernen, wie das ganze Thema eigentlich in
(00:46):
Deutschland behandelt wird, habe ich mir einen Experten eingeladen, der die
Medienbranche in Deutschland schon sehr lange begleitet, sei es auf
Produktion, auf Plattform oder auf Senderseite. Er ist Partner
bei der internationalen Kanzlei Fieldfisher in München und Berlin
Und ich freue mich sehr, dass er mein Gast ist, Dr. Martin Diesbach. Herzlich
willkommen, Martin. Hallo Christoph, danke für die Einladung. Schön, dass du da
(01:08):
bist. Bevor wir mal ins Thema einsteigen, frage ich ja so zwei,
drei Fragen zum Thema, was du aktuell gerade so, was für Themen dich
begleiten, was dich so rumtreibt. Und ich glaube, das erste Mal haben wir beruflich zu
tun gehabt, Anfang der 2010er Jahre.
Und jetzt arbeitest du hauptsächlich in Berlin in der Kanzlei.
Was für Themen, vielleicht gerade aus dem Medienbereich oder sonst, sind es
(01:30):
denn, die dich gerade beschäftigen? Also die Themen, die
unser Team im Kern am meisten beschäftigen, sind sicherlich auf Platz
1 KI, auf Platz 2 würde ich sagen
KI und Platz 3 dürfte wohl immer noch vom
Thema KI besetzt werden. Das ist natürlich etwas, was uns alle, wie die
ganze Branche, sehr auf Trab hält. In verschiedenen Facetten, von
(01:51):
der Vertragsgestaltung über Lizenzverträge,
über KI-Trainingsdaten und auch der Umgang im Verhältnis zu den
Kreativen mit diesem wichtigen Thema. Daneben gibt es zwei große
Themenblöcke. Einmal das Thema Filmfinanzierung. Dazu hattest du ja auch mit
Jürgen Hoffmann im letzten Jahr eine sehr gute Folge des Podcastes. Da
wird sich dieses Jahr ja hoffentlich noch mehr tun. Und das
(02:14):
dritte Thema ist eines, das insbesondere mich sehr beschäftigt, nämlich das
Thema angemessene Vergütung, Bestsellervergütung, GVR-Verhandlungen,
also das Thema, über das wir heute sprechen. Ja, ich glaube zum Thema KI wie
auch Filmförderung werde ich auch noch zweitere Episoden machen. Jetzt aber erst mal
das Thema angemessene Vergütung. Ich glaube, wir benutzen das immer so
nebenbei, das Wort, weil man das so aus dem deutschen Rechtsprechungsgesetz
(02:36):
kennt. Erst mal, dann in das Thema einzusteigen,
worum geht es da eigentlich? Was bedeutet das eigentlich, angemessene Vergütung? Also
der Begriff der angemessenen Vergütung ist der wesentliche Begriff,
der vor über 20 Jahren ins deutsche Urheberrechtsgesetz eingeführt wurde,
nämlich im Paragrafen 32. Und dann gibt es noch weitere Vorschriften,
32a insbesondere. Da geht es die Bestsellervergütung. Beim
(02:59):
Thema der angemessenen Vergütung gibt es den Grundsatz, der im Gesetz steht,
wonach jeder Urheber und das gilt auch für ausübende Künstler, also wie zum Beispiel
Schauspielerinnen und Schauspieler, jeder Urheber einen Anspruch
hat, für seine Leistung angemessen vergütet zu werden. Das ist ein
Anspruch, der sich direkt richtet gegen den Vertragspartner
Und was angemessen ist, sagt das Gesetz, aber auch nur mit allgemeinen
(03:22):
Formulierungen, nämlich dasjenige, was üblich
ist, was angemessen ist, was redlich ist. Insofern wird auf
eine faire und angemessene Vertragspraxis verwiesen.
Und dann gibt es noch ein besonderes Instrument, dasjenige der
sogenannten gemeinsamen Vergütungsregel. Das sind bestimmte
kollektivrechtliche Bestimmungen, können wir gleich noch darüber sprechen, die, wenn man so
(03:44):
will, Preisschilder an bestimmte Leistungen heften in einzelnen Teilbranchen.
Das ist das Wesentliche am Bereich angemessene Vergütung. Und das wird
flankiert durch den sogenannten Bestsellerparagraf in Paragrafen 32a.
Genau, Bestsellervertrag, das Wort hat man ja schon mal öfter gehört.
Bevor wir auf die deutschen Regelungen oder vielleicht die Erfahrung mit der deutschen
Regelung eingehen, gibt es das Thema nur in Deutschland? Gibt das sonst
(04:07):
auch in Europa oder ist das nur bei uns so ein großes Thema?
Also es ist bei uns schon länger ein Thema,
aber mittlerweile nicht mehr nur noch bei uns. Also ich sagte
es bereits, die EU-Helfervertragsrechtsreform, die diese Normen
eingeführt hat, angemessene Vergütung, Bestsellervergütung etc., die sind
über 20 Jahre alt. Der EU-Gesetzgeber hat das
(04:30):
aber aufgegriffen in einer Richtlinie zum digitalen
Einheitsmarkt, also Digital Single Market, und hat dort diese
Regelungen letztlich weitestgehend dem deutschen Vorbild nachmodelliert,
auf europäischer Ebene gehoben, sodass es jetzt im Wege einer Richtlinie
europaweit gilt. Und alle EU-Mitgliedstaaten
hatten die Aufgabe, bis vor kurzem, da lief die Frist ab, entsprechende
(04:53):
Normen auch in ihr nationales Recht zu implementieren. Also die Möglichkeit, mal
eine Produktion ins Ausland zu verlegen, der angemessenen Vergütung und Regelung in
Deutschland zu entkommen, die besteht so nicht mehr? Die bestand schon vorher
praktisch nicht wirklich. Und der Gesetzgeber hat hier sehr
viele Maßnahmen getroffen, damit diese Norm auch wirklich
zur Anwendung kommt und nicht irgendwie umschifft werden kann. Das ist wahrscheinlich unterm
(05:16):
Strich auch sehr richtig so. Ja, auf jeden Fall. Genau,
jetzt kommen wir mal auf die einzelne Regelung, oder was das ganze Thema
betrifft, zu sprechen. Für wen gilt denn die Regelung überhaupt? Man hört ja
mal diese einzelnen Fälle. Ich hatte im Intro das schon kurz angesprochen mit dem Kameramann
von Das Boot. Der hat geklagt, weil er ein bestimmtes Festgehalt
bekommen hat und aber mehr Geld wollte, weil es ein besonderer Aufwand war. Da können
(05:37):
wir vielleicht später nochmal drüber sprechen. Aber was kann man denn sagen? Wer kann sich
auf diese Regelungen berufen? Und gilt es nur für bestimmte
Produktionen oder eigentlich für, ich sag mal, unbegrenzt?
Also zunächst mal ist, glaube ich, wichtig, sich noch mal in Erinnerung zu rufen, dass
diese Themen angemessene Vergütung, Bestsellervergütung etc.
Kein Spezialgesetz für die Film- und Fernsehbranche sind,
(05:59):
sondern diese Normen sind Teil des Urheberrechtsgesetzes. Das gilt für jede Form
von kreativem Schaffen oder künstlerischen Darbietungen, also für Urheber und
ausübende Künstler. Das gilt im Bereich der Literatur, wie im Theater,
wie im Kino, Fernsehen, Musik. Es gilt
überall. Die gesamte Kreativindustrie ist davon betroffen. Wenn wir
jetzt näher schauen auf die Film- und Fernsehbranche, gibt es dort ja
(06:21):
wie gesagt, wie in anderen Kreativindustrien auch, diese zwei Säulen, angemessene
Vergütung. Da geht es darum, dass ein Urheber, gehen seine
Vertragspartner, einen konkreten Anspruch hat, wenn die
ursprüngliche Vergütung nicht angemessen war, wenn sie zu niedrig war. Diese
Fälle sind in der Praxis nicht so häufig. Jedenfalls
kommen sie nicht häufig zu Gericht. Eine viel größere Relevanz, und
(06:44):
jetzt komme ich auch auf das Beispiel zu sprechen, das du angesprochen hattest,
nämlich den Film Das Boot. Eine viel größere Relevanz hat der
sogenannte Bestsellerparagraf. Dieser Bestsellerparagraf
setzt eben nicht nur daran an, ob die Ausgangsvergütung
ganz ursprünglich mal angemessen war, sondern
der Bestsellerparagraf setzt da an, ob sich
(07:07):
hinterher herausstellt, wenn man sich die Verwertungserlöse
anschaut, die zum Beispiel eine Filmproduktion hatte, ob
im Nachhinein betrachtet die angemessene
Vergütung als zu niedrig anzusehen ist, weil eben beispielsweise
ein Filmwerk so erfolgreich war, dass man
in der Rückschau sagt, für diesen erfolgreichen Film war das, was die
(07:29):
Person am Anfang vergütet bekommen hat, einfach zu gering. Das sind die Fälle, die
in der Praxis große Relevanz haben. Und das war auch der Fall im Bereich
das Brot. Da war es nicht so, dass der Kläger sagte, ich bin für
meine Leistung zu gering vergütet worden. Sondern das
Argument dort war, wenn man sich anschaut, wie der Film über
Jahrzehnte hinweg erfolgreich war, vor dem Hintergrund
(07:51):
dieses Erfolgs habe ich Anspruch auf einen Nachschlag, wenn man so will. Genau. Ich glaube,
der hatte dann auch gesagt, ich habe extra für den Film noch was
entwickelt und meine Kamera hat sich besser... Oder war das nicht auch noch so ein
Aspekt, dass er über die künstlerische Schöpfung, die er gemacht hat,
durch die Filmaufnahmen noch gesagt hat, ich habe noch weiterentwickelt, bestimmte Aufnahmen überhaupt
möglich zu machen? Das war ein Argument in der Tat. Also ich
(08:13):
habe, für die volle Transparenz, Ich habe das Verfahren geführt. Das hat, glaube
ich, 15 Jahre oder so gedauert, aus einer Reihe von Gründen. Das alleine
wäre ein eigener Podcast, diese Prozessgeschichte mal
neutral zu beleuchten. Das war in der Tat ein Argument,
das ist jetzt aus einer rein urheberrechtlichen Sicht nicht
von herausragender Relevanz. Dieses Argument, ob noch
(08:35):
technisch etwas dazu erfunden wurde, aber es ist richtig, dass die
wirklich hervorragende Kameraarbeit noch unterstützt wurde durch bestimmte
Leistungen, durch bestimmte Erfindungen, die er damals tätigte. Aber
die Gerichte haben durchaus in dem Urteil anerkannt,
dass die Kameraleistung als solche ein herausragend wichtiger war.
Interessant. Und es war ja wahrscheinlich so, er hat damals einen Vertrag
(08:58):
unterschrieben, da stand Summe X drin und dann im Nachhinein,
ja, das bot irgendwie, man kennt ja irgendwie jeder den Film, ob man ihn jetzt
gesehen hat oder nicht. Und dann ist ja die große Frage, ab wann ist dann
die Vergütung von damals vielleicht nicht mehr angemessen? Wie kann man denn
eigentlich ins Detail gehen, sage ich mal? Das ist eine der
großen Herausforderungen in der Rechtsanwendung. Das
(09:19):
Gesetz benutzt eine Fülle von unbestimmten Rechtsbegriffen. Der
Paragraph 32a, der sogenannte Bestsellerparagraph, übrigens ist Bestseller
kein Wort, das der Gesetzgeber verwendet hat, das hat sich nur so eingebürgert
im Juristensprachgebrauch, wenn man so will. Der Bestsellerparagraf
spricht davon, dass ein auffälliges Missverhältnis, also sprach davon
damals beim Brutprozess, dass ein auffälliges Missverhältnis bestehen
(09:41):
muss zwischen der ursprünglichen Vergütung und den Erträgen und
Vorteilen desjenigen, der das Werk
auswertet. Da kommt folgende Besonderheit hinzu. Dieser
Bestsellerparagraf ist nicht nur relevant im Verhältnis
Urheber zu seinem Vertragspartner. Also ich hatte ja vorhin
gesagt, dass die angemessene Vergütung nur in dem eigentlichen Vertragsverhältnis gilt,
(10:04):
Urheber zu Vertragspartner oder ausübende Künstler zu seinem oder ihrem
Vertragspartner. Dieser Bestsellerparagraf kann sich
auch gegen jeden dritten wenden, der ein
Werk auswertet. Im konkreten Fall war es damals
so, dass der Kameramann sowohl die Produktionsfirma
in Anspruch genommen hat, als auch das Unternehmen, das für den Home
(10:26):
Entertainment Vertrieb verantwortlich war, als auch die Fernsehsender,
die den Film ausgestrahlt haben, obwohl er mit diesen beiden letzten,
also den Fernsehunternehmen und dem Home-Videounternehmen, überhaupt keinen
Vertrag hatte. Okay, klar, verständlich. Ich meine, es ist natürlich,
nachdem der Film im Kino war, jahrelang im Fernsehen gelaufen
und natürlich, klar wurden damit auch Werbeumsätze generiert. Und dann
(10:51):
musste der Kläger irgendwie nachweisen, naja, ihr habt damit noch so und so
viel Geld auch noch 20 Jahre später
erwirtschaftet oder Umsätze geschaffen und darum verlange ich hier
diese Anpassung meiner Vergütung. Genau und da stellt sich natürlich
folgende Problematik. Derjenige, der diesen Anspruch
geltend machen will, weiß ja nicht, was verdient wurde. Deswegen
(11:14):
ist es für ihn notwendige Voraussetzung, erst
einmal, man nennt das eine sogenannte Stufenklage, auf der ersten
Stufe einen Auskunftsanspruch geltend zu machen.
Gegenstand dieses Auskunftsanspruchs ist eben die Offenlegung derjenigen
Beträge, die eben verdient wurden mit dem Film oder die umgesetzt wurden. Das gibt
eine große Diskussion, ob brutto oder netto. Das ist jetzt ein Detail,
(11:36):
das lassen wir mal kurz links liegen, aber es ist eine große Herausforderung in
der Praxis. Und erst dann, dann geht es auf die zweite Stufe, wenn
diese Erträge offengelegt wurden, dann ist er in der Lage, konkret zu beziffern,
wie viel ihm wohl zusteht im Lichte dieser Erträge und Vorteile.
Und jetzt wollen wir uns nicht nur auf den Fall konzentrieren, aber am
Ende hat er ja gewonnen. Ja, ich belege
(11:59):
die korrekte und politisch korrekte Formulierung.
Also er hat am Ende ein
Ergebnis erzielt, das mit vielen Fernsehsendern in einen
Vergleich mündete und in einem zweiten
Prozesskomplex haben die
dann noch beklagten Unternehmen sich einverstanden erklärt mit den
(12:22):
zuletzt genannten Forderungen. Insofern kann man im Prinzip
sagen, er hat gewonnen, er hat noch erhebliche Beträge zugesprochen
bekommen oder hat die erhalten. Mehr kann ich da nicht ins Detail
gehen. Nee, klar. Aber es ist ja spannend, wenn man dann sieht, wie du
schon gesagt hast, diese zwei Stufen. Erstmal, ich,
der irgendwo als ein bestimmter Bestandteil eines Films, einer
(12:44):
Produktion mitgewirkt hat, weiß gar nicht, wie hoch die Umsätze dahinter sind. Das muss ich
im ersten Schritt rausfinden. Und dann kann man im zweiten Schritt feststellen,
naja, habe ich bestimmte Ansprüche, die ich noch gelten
machen kann? Ja, das ist hochinteressant. Vor allen Dingen
deswegen, weil der Gesetzgeber an diesem
Punkt angesetzt hat, und zwar zweimal. Er hat im Jahr 2017
(13:07):
sich gesagt, das ist ganz schön aufwendig und schwierig, erstmal
herausklagen zu müssen, was der Verwerter denn tatsächlich
umgesetzt hat. Deswegen führen wir jetzt einen
neuen Paragrafen ein. Das war damals der 32d, D wie Dora.
In dem stand drin, dass jeder Verwerter
auf Anforderungen diese Daten
(13:30):
offenlegen muss. Unabhängig davon, ob jemand einen Bestselleranspruch oder
einen Zeitungsanspruch hat. Auf Anforderung
heißt dann, ich schreibe ihn an und er
warte Post zurück. Genau. Interessanterweise, jedenfalls
so meine Informationen, ist das eine Bestimmung gewesen, die kaum
zur Anwendung kam. Jetzt kann man lange darüber diskutieren, warum das so war,
(13:53):
aber jedenfalls nach dem, was ich gehört habe, haben die großen
Unternehmen, die großen Sender und die großen Plattformen
nach meiner Kenntnis praktisch überhaupt keine Aufforderungsschreiben
bekommen oder jemals deutlich weniger, als
man ursprünglich annahm. Der nächste Schritt war dann die Richtlinie, über die ich schon
sprach, die europäische DSM-Richtlinie. Die hat diesen,
(14:15):
wenn man so will, reaktiven Anspruch, also sprich diese
Herausgabepflicht auf Verlangen umgewandelt in eine jährliche
Transparenzpflicht. Das heißt, jetzt ist es so, 32 D wiederum
in der innovierten Fassung und 32 E, jetzt ist es so,
dass jeder Vertragspartner
gegenüber seinen Urhebern und seinen ausübenden Künstlern
(14:37):
einmal im Jahr, auch ohne dass er dazu aufgefordert wird, Rechenschaft
ablegen muss darüber, was mit einem Werk verdient wurde. Dieser Anspruch besteht nur
gegenüber dem Vertragspartner. Unter bestimmten Voraussetzungen geht er dann
über auf denjenigen, der das Werk tatsächlich verwertet. Aber
das ist noch mal eine starke Nachschärfung, die der Gesetzgeber vorgenommen hat im
Zuge der EU-Richtlinie, weil das dort so vorgesehen war. Jetzt kann man natürlich
(14:59):
sagen, auch von der anderen Seite her argumentiert, ist natürlich ein
unglaublicher Verwaltungsaufwand. Dass ich das vorhalten muss, die
Zahlen raussuchen muss und dann irgendwie ein
Tool, ein Automatismus oder auch kein Automatismus dahinter schaltet, der alle
einmal jährlich informiert. Das ist auch so, das ist ein großer Aufwand. Ich glaube
jetzt auch nicht, dass man sagen kann, dass jedes Unternehmen in dieser Pflicht
(15:21):
nachkommt. Man muss auch dabei auch berücksichtigen, dass der Gesetzgeber der
Überzeugung war, dass es eine schlaue Idee ist, diesen Anspruch
rückwirkend zu machen. Das heißt, alle Produktionen
ab dem Jahr 2009 sind umfasst. Unabhängig davon, ob die
Daten überhaupt noch verfügbar sind, ist das natürlich in der Tat so, dass das ein
erheblicher Aufwand ist. Also, es ist schon für die großen Sender
(15:43):
ein Aufwand, aber wenn wir jetzt mal an die vielen kleinen und
mittleren Produktionsfirmen denken, ist das ein Aufwand, der
erhebliche Tätigkeit nach sich zieht.
Kann ich mir gut vorstellen. Gibt es da irgendeine Begrenzung, dass ich sage, naja, wenn
ich nur zehn Mitarbeiter habe oder nur x
Produktion pro Jahr, muss ich dem nicht nachkommen oder ist das? Naja,
(16:05):
auch hier gilt, diese Bestimmung ist nicht allein für die Film- und
Fernsehbranche anwendbar, sondern für jeden Teil der Kreditbranche. Deswegen
gibt es da solche Grenzen nicht, die so, wenn man so will, granular
auf die einzelne Branche Bezug nehmen mit Anzahl an Produktionen oder Anzahl an
Mitwirkenden. Was allerdings der Gesetzgeber vorgesehen hat,
ist auch wiederum eine Formulierung, die überschaubar
(16:28):
weiterhilft. Nämlich der Anspruch besteht da nicht oder diese Transparenzpflicht
muss man sagen, diese Transparenzpflicht besteht da nicht, wenn es unverhältnismäßig
ist. Wie du dir vorstellen kannst, gibt es auch einen darüber schon großen Streit,
ob man an so eine solche Unverhältnismäßigkeit vorliegt. Eins
der Lieblingsworte immer noch unter Juristen. Ja, wir schaffen uns
(16:48):
unsere Arbeit selbst. Richtig, richtig. Jetzt hast du ja schon angedeutet,
die Regelung in Deutschland ist sogar schon ein bisschen älter, wurde schon ein paar Mal
geändert. Einmal zurückblickend, vielleicht, ich sag mal rechtshistorisch,
Warum hat man das eingeführt? Warum hat man damit angefangen? Wie kam das zustande, dass
man gerade in Deutschland da das erste Mal vielleicht darüber nachgedacht hat, wir
brauchen so eine Regelung im Urheberrecht? Also, das ist eine gute Frage. Nach
(17:10):
meiner Erinnerung war das so, dass man einen
Missstand beheben wollte, der insbesondere in der Übersetzerbranche
beklagt wurde, dass die Übersetzer literarischer Werke,
die ja, ich glaube, auf Zeilenbasis vergütet wurden,
sehr deutlich sich zu Wort gemeldet haben und gesagt haben, dass
(17:31):
das eine unangemessene niedrige Vergütung ist. Auch hier der Gesetzgeber
hat natürlich dann, weil er einen konkreten Missstand beheben wollte,
es so gemacht, dass es alle betraf, damit auch die Film- und Fernsehbranche.
Es gab damals heftigen Widerstand, auch gerade der Film- und Fernsehbranche,
mit manchen, die gesagt haben, das sei das Ende der Filmproduktion in
Deutschland. Wie wir wissen, ist das nicht eingetreten. Da muss
(17:54):
man vielleicht auch manchmal ein bisschen vorsichtig sein mit den Dunkelrufen im
Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens. Aber das war nach meiner
Erinnerung der eigentlich historische Ursprung dieser
Bestimmung. Jetzt gilt das eben überall. Ja, interessant.
Wenn man jetzt darüber nachdenkt, macht es natürlich Sinn, wenn man so einen Harry Potter
übersetzt oder etwas Kleineres, dann natürlich gerade hinterher
(18:16):
im Umsatz große Unterschiede und vielleicht auch im
Aufwand. Ja, interessant, dass dann gerade daherkommt.
An dieser Stelle ein großes Dankeschön an Agile Content, die
diese Folge des TV-Heading-Podcasts möglich machen. Agile Content ist ein
führender Anbieter von Technologie für die TV-Branche.
Agile Content Produkte sind in nahezu allen Tier-One-Operatoren im
(18:39):
Dachraum eingesetzt. Während sehr große Plattformen für ihre
individuellen TV-Produkte z.B. Das CDN oder die Backend-Technologie
von Agile Content einsetzen, verlangen andere TV-Anbieter
Best of Breed aus einer Hand. Und für genau die, die eine
Komplettlösung suchen, den bietet Agile Content eine in
vielen Märkten auf der Welt bewährte White-Label-Plattform
(19:02):
an. Also per One-Stop-Shop auf einen Schlag mit
Tier-One-Technologie auf Augenhöhe mit den bewährte White Label Plattform an. Also per 1 Stop Shop
auf einen Schlag mit Tier 1 Technologie auf Augenhöhe mit den Marktführern. Mehr über Agile
Content hörst du übrigens im TV Helden Podcast Folge
62 oder aber unter agilecontent.com.
Eine weitere sehr gute Möglichkeit ist natürlich die Media Hall vom 2. Bis
(19:23):
3. April 2025 in Frankfurt, wo auch
hier die Vertreterinnen und Vertreter von agilecontent vor
Ort sein werden.
Du hattest gerade schon diesen Boot-Prozess angesprochen. So
aus deiner Erfahrung mit dem Thema angemessene Vergütung, gibt es eigentlich
bestimmte Prozesskonstellationen oder bestimmte Fälle, die immer wieder
(19:45):
verhandelt werden? Also ja, ich denke
schon. Verschiedene Punkte dazu. Also es ist nicht
so, dass es, wenn ich jetzt auf die letzten 15,
20 Jahre zurückschaue, es eine Prozesslawine gab.
Dafür gibt es sicherlich eine Reihe von Gründen. Eine klassische
Konstellation ist nicht diejenige der angemessenen Vergütung, also
(20:07):
sprich im Verhältnis zum Vertragspartner. Da hat auch Verjährungsgründe
und wohl auch damit zu tun, dass die eigentliche Vergütung erstmal
nicht so häufig als unangemessen angesehen wird, auch von den Kreativen.
Auch darüber kann man, wie du weißt, lange streiten. Es gibt, glaube ich, in diesem
Bereich nichts, was nicht hoch umstritten ist. Aber das wäre jetzt jedenfalls meine
Lesart, dass das einer der Gründe ist, warum die ursprüngliche
(20:30):
Vergütung an sich erstmal nicht so häufig Gegenstand von
Auseinandersetzungen ist. Der deutlich häufiger Anwendungsfall
ist in der Tat der Bestsellerprozess. Und zwar auch da
nicht gegenüber dem Vertragspartner, sondern gegenüber den
Dritten, also denjenigen, die das Werk verwerten. Also nehmen wir ein konkretes Beispiel.
(20:51):
Der Regisseur, die Regisseurin, die an einer
Fernsehauftragsproduktion mitgewirkt haben, die dann nach
ein paar Jahren feststellen, dass der Fernsehfilm, bei dem
sie Regie geführt haben, sehr häufig ausgestrahlt wurde im Fernsehen.
Das ist so die klassische Konstellation, wenn man so will. Auch
Drehbuchautoren, zum Teil auch Kameraleute, Schauspielerinnen und Schauspieler, das
(21:14):
ist so das häufigste, würde ich sagen. In diesem Fall, wo
also dann der Urheber, die Urheberin sagen, du
Fernsehsender hast das Werk so häufig ausgestrahlt,
dass ich der Meinung bin, dass die Vergütung, die ich damals erhalten
habe, in einem Betracht dieser häufigen und intensiven Nutzung
nicht mehr angemessen ist. Das ist die häufigste Konstellation.
(21:37):
Ja klar und ich glaube gerade im linearen
TV, wo ich einfach auch ich sage mal Strecke füllen muss, ist natürlich dieser
Fall einfach auch oft vorhanden. Wenn ich sage, ich nutze es nochmal da, dann habe
ich noch eine Nachtausspielung. Ja klar, nachvollziehbar.
Absolut. Absolut. Dann gibt es eben sehr viele Fragen im
Detail, die beschäftigen sich mit, was ist eine Nachtaustrahlung,
(22:00):
Was ist mit unselbstständigen Wiederholungen innerhalb von 48 Stunden? Wie
behandeln wir die Ausstrahlung in Digitalkanälen? Es wird extrem
spannend zu sehen sein, wie fast Channel in dem Bereich
behandelt werden. Das ist bisher noch nach meiner Kenntnis noch nicht
groß Thema von Gerichtsverhandlungen gewesen. Aber da geht
uns der Stoff der Diskussion nicht aus. Ja, glaube ich auch. Und ich glaube, ein
(22:22):
anderer Fall, ich habe den nur noch so im Hinterkopf, aber ich glaube, es gab
mal so einen Fall, wo ein Synchronsprecher, ich weiß nicht, ob es von Spongebob
Schwankhopp war, der dann gemerkt hat, seine Stimme wird auch für die Spielzeugfiguren
eingesetzt und dann natürlich gemerkt hat,
oh, da ist ja noch eine andere Verwertungskette dahinter. Das kann sein. Den Fall
kenne ich gar nicht konkret, aber du sprichst einen wichtigen Bereich an. Die
(22:43):
Synchronenbranche ist da sehr aktiv auch gewesen. Es gab
zwei oder drei wirklich sehr relevante
Auseinandersetzungen. Ich glaube, der berühmteste war Fluch der
Karibik. Fluch der Karibik deswegen, weil die deutsche
Stimme von Johnny Depp der Auffassung war, dass die Vergütung,
die der Synchronsprecher erhalten hat, auch
(23:05):
unangemessen niedrig war im Verhältnis zu den großen Erträgen, die nach seiner
Meinung durch den Film generiert wurden. Das ist ein Film,
ein Prozess, der auch schon über zehn Jahre alt ist.
Und ich habe es vorhin schon angesprochen, das Gesetz arbeitet mit
zum Teil sehr schwammigen Begriffen. Es ist sehr schwierig festzustellen,
wie im Nachhinein betrachtet eine angemessene Vergütung sein
(23:28):
müsste. Und das ist der Grund, warum
immer mehr, insbesondere, ich würde sagen, seit ungefähr fünf bis
sieben Jahren, immer mehr sogenannte gemeinsame Vergütungsregeln
abgeschlossen wurden. Da sind wir auch sehr intensiv involviert.
Das ist eine kollektivrechtliche Vereinbarung zwischen meistens einem
(23:48):
einzelnen Verwerter und Gewerkschaften oder Berufsverbänden,
die dann verhandeln, ab
welcher Schwelle bestimmte Zusatzvergütungen geleistet
werden. Und der Sinn dieser GVR ist eben dann gerade sicherzustellen, dass die
Kreativen eine Zusatzvergütung bekommen, wenn ein Werk erfolgreich
ist, also besonders intensiv genutzt wird.
(24:10):
Interessant. Jetzt hast du gesprochen, wie es sich entwickelt hat
und bestimmte Prozesse und Konstellationen angesprochen. Wie
ist denn deine Ansicht zur vorhandenen Regelung momentan in
Deutschland oder in Europa? Glaubst du, die Regelung macht so Sinn?
Meinst du, da müsste man nochmal nachbessern? Wie ist denn deine Einschätzung?
Oh, Das ist eine hochinteressante Frage. Also ich habe mich
(24:33):
ja wirklich sehr lange und sehr intensiv mit dem Thema beschäftigt.
Die Norm ist in vielerlei Hinsicht sehr unbefriedigend, weil sie auch handwerklich
zum Teil schlecht gemacht ist. Also Wenn ich sage die Norm, meine ich
alle Vorschriften ab 32 im Hilferechtsgesetz.
Da gibt es vieles, was in der Rechtsanwendung wirklich schwierig ist.
(24:54):
Trotzdem, glaube ich, haben
die Bestimmungen ein gewisses Ziel erreicht,
weil sich
die Praxis der Vergütung schon geändert hat.
Nicht überall, nicht in jedem Einzelfall,
aber Allgemein kann man sagen, hat sich doch viel getan. Wo kommen wir
(25:18):
denn her? Wir kommen im Prinzip ja her aus einer Welt der
Buy-out-Vergütung mit ein, zwei wichtigen Ausnahmen.
Darüber spreche ich gleich noch. Aber im Prinzip kommen wir von der Buy-out-Vergütung.
Die Buy-out-Vergütung ist auch nach wie vor zulässig, haben auch die Gerichte immer wieder gesagt,
dass sie per se nicht unangemessen ist. Aber natürlich hat jede
Buy-out-Vergütung, also eine pauschale Summe gegen die Übertragung oder
(25:40):
Einräumung aller Rechte, hat eine Buy-out-Vergütung immer auch ein
Risiko, dass sie dann irgendwann unangemessen wird. Also das Beispiel vom Brot
hattest du ja gerade genannt. Und
es gibt jetzt eine Vielzahl von gemeinsamen Vergütungsregeln.
Die öffentlich-rechtlichen Sender haben solche, die privaten und
Unternehmen haben solche, Netflix hat solche, die ja
(26:04):
eben, wie ich vorhin schon sagte, zum Gegenstand haben, ab wann, ab welchem
Erfolg bekommen die Kreativen mehr Geld. Das ist eine unmittelbare
Folge dieser Gesetzesreform. Deswegen kann man schon sagen, hatte sie, hat sie einen
gewissen Erfolg. Die Herausforderung liegt wirklich in der
konkreten Umsetzung. Also ein weiteres Beispiel ist, dass
(26:24):
alle Verwerter natürlich ein Interesse an Rechtssicherheit haben. Rechtssicherheit
bedeutet zu wissen, ab wann muss ich an wen wie viel zahlen,
Ansprüchen nicht ausgesetzt zu werden. Gerade Auskunftsansprüche können ja manchmal
durchaus wehtun, weil die sehr kleinteilig werden. Und viele
gemeinsame Vergütungsregeln, GVR sehen vor, ab wann
man etwas zahlt, an wen. Aber das ist im Regelfall,
(26:47):
mit ein paar Ausnahmen, immer nur gewerkebezogen. Es gibt in der Film-
und Fernsehbranche keine gewerkeübergreifende
Bestimmung, die ganz klar sagt, das ist der Kuchen, der ist so
groß und der hat so viele Kirschen drauf und der wird an die so verteilt.
Ein Grund dafür ist, dass auch die Berufsverbände
(27:10):
zum Teil nicht mit einer Stimme sprechen,
es ganz vorsichtig zu formulieren. Es gibt erhebliche
Auseinandersetzungen auch zwischen den Berufsverbänden und Gewerkschaften,
wer jetzt wie repräsentativ ist, wer mit wem reden darf. Zum Teil gibt es
auch Prozesse untereinander. Das macht es jetzt aus einer verwehrter Sicht, für die ich
tätig bin, oft schwierig, eine Regelung zu haben, die wirklich umfassend
(27:34):
Ruhe in den Karton bringt. Klar. Jetzt hattest du gerade angedeutet, dass
Handwerker nicht die besten Klauseln sind. Meinst du, es wurde zu viel auf die Gerichte
ausgelagert? Ja, also ich glaube, das ist so. Ich
möchte nicht Richter oder Richterinnen sein in einem
solchen Prozess. Es geht wirklich sehr in die wirtschaftlichen
Details von Film- und Fernsehproduktionen und Auswertung. Das kann
(27:56):
ein Richter im Detail nicht wissen. Er ist aber
gezwungen, diese Norm anzuwenden. Das sind unbestimmte Rechtsbegriffe.
Und das ist ganz schön anspruchsvoll. Das ist ein Grund, warum die
Gerichte, wenn es dann darum geht, den gerichtigen Preis, den gerechten Preis
zu finden, mehr oder weniger nach jedem Strohhalm
langen, der sich so bietet. Da gibt es dann manchmal auch ein paar
(28:20):
krude Ergebnisse, aber je mehr es GVR gibt,
desto mehr, wenn man so will, Orientierungsrahmen gibt
es für die Gerichte, irgendwie auch mit
einem gewissen richterlichen Ermessen da einen Preis festzusetzen. Aber es ist
für die Gerichte eine erhebliche Aufgabe. Auch deswegen, glaube ich, gibt
es sehr viele Rechtsstreitigkeiten, die in einem Vergleich enden. Ja,
(28:43):
klar. Martin, vielen Dank dir. Super
interessantes Gespräch. Sehr viel... Oh Mann, du hast echt ordentlich
Detailwissen zu dem Thema. Das war echt super spannend, mit dir zu sprechen, weil du
das Thema einfach auch schon jahrelang betreust und verfolgst. Vielen
Dank, dass du zu Besuch warst im Podcast. Das hat mich sehr gefreut. Vielen Dank
dir. Euch vielen Dank fürs Zuhören. Vielen Dank auch an Joel Schneider für
(29:04):
schneidende Episode. Wenn euch der Podcast oder die Episode gefällt,
bewertet uns gerne, abonniert uns gerne bei Spotify, YouTube oder
wo immer ihr Podcasts hört. Vielen Dank fürs Zuhören. Zu hören.
(29:34):
Untertitel von Stephanie Geiges SWR 2021