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May 7, 2025 71 mins

Lutz Elija Popper wurde 1938 als zweiter Sohn eines jüdischen Arztes in Wien geboren. Die Familie emigrierte nach Bolivien und kehrte 1947 zurück. Im Gespräch mit Barbara Kedl-Hecher erzählt Popper von der Verteibung seiner Eltern, der Kindheit in Bolivien, den Herausforderungen des Wiener Alltags nach der Rückkehr und über seine Arbeit als Zeitzeuge in Schulen.


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Transcript

Episode Transcript

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(00:09):
-Herzlich willkommen beieinem neuen Podcast
der Stadt Wien.
Heute ist Zeitzeuge LutzElija Popper bei
Barbara Kedl-Hecher zu Gast.

(00:30):
-Lieber Herr LutzElija Popper, danke für
Ihren Besuch in unserem Studio.
Österreich gedenkt heuer zum80. Mal dem Kriegsende,
dem Beginn derZweiten Republik und 70 Jahre
Staatsvertrag.
Wir haben Sie eingeladen,weil Sie eine sehr
schicksalhafteFamiliengeschichte
zu erzählen haben,die Sie als Zeitzeuge auch
an Jugendliche in Wiener Schulenweitergeben. Wenn ich kurz

(00:53):
zusammenfassen darf.
Sie wurden am 1. März 1938 alszweiter Sohn eines jüdischen
Vaters und einer arischenMutter in Wien geboren.
Ihr Vater, der ArztLudwig Popper, musste bald nach
dem Einmarsch derNationalsozialisten in die
Schweiz emigrieren.
Währenddessen ist Ihre MutterFriederike Popper,
die als Krankenschwestergearbeitet hat,

(01:13):
mit zwei kleinen Kindern,Ihnen und dem um zwei Jahre,
älteren Bruder Peter,in Wien verblieben.
Die beiden haben getrenntvoneinander versucht,
die Ausreise zu schaffen.
Es war ja nicht so wie heute,dass man im Internet
nachschaut, was einenerwarten könnte,
sondern es war gespicktvon behördlichen Schikanen
und vor allem eine Reisein eine ungewisse Zukunft

(01:33):
ohne Freund*innen,ohne Familie, ohne
Sprachkenntnisse,ohne finanzielle Mittel.
Was von dieseneinschneidenden Erlebnissen
der Vertreibung aus einembis dahin erfolgreichen,
ökonomisch komfortablenMedizinerleben in ein
unbekanntes Land mitEntbehrungen wurde
in Ihrer Familie erinnert?
-Ich muss dazu wirklichbemerken und klarstellen,

(01:57):
es gab für meine Familiein diesen Zeiten, wo eben
mein Vater geboren wurde,von 1904 bis zu unserer
Vertreibung, es gab keine Zeit,wo ein komfortables Leben,
auch kein Medizinerlebenmöglich gewesen wäre.

(02:19):
Die Situation der Juden vor1938 war hier in Wien ganz
besonders auch schonwirklich prekär.
Es hat sich schonüber die Jahrzehnte davor,
diese antisemitischeStimmung, auch dank des
Herrn Lueger, derdamals Bürgermeister war,

(02:42):
Anfang Neunzehnhundert,hat wesentlich dazu
beigetragen, dass da immerwieder ein Input erfolgt ist
von den Politikernin Richtung des Unwertes
oder des Schadens,den Juden für eine

(03:03):
Gesellschaft bedeuten.
Es war eigentlich schwierig undvor allem auch deswegen,
weil es ist für Juden,die die überwiegende
Mehrheit der Ärzte in Wien,auch in ganz Österreich,
darstellten. Das waren5. 000 Ärzte insgesamt,

(03:33):
von denen waren 3. 200 Juden.
Das hatte so eineganz komplexe Geschichte,
weil das Judentum ja immerin den letzten Jahrhunderten
fast schon hat versuchen müssen,seine Kinder so zu erziehen,
dass sie einen Job haben,mit dem sie einmal

(03:56):
leben könnten,mit dem sie überleben könnten
und selbständig werdenkönnten, weil die Berufe,
also Jobs im öffentlichenBereich
für Juden waren eine Rarität.
Wir hatten sowas sogar.
Einer der Onkel meines Vaterswar vor 1938 der

(04:21):
Chef des Hauptzollamtesin Wien, ein jüdischer Hofrat.
Aber das warwirklich eine Ausnahme.
Das war nicht das Übliche.
Grundsätzlich waren in allenöffentlichen Bereichen
natürlich die Judenals Außenseiter, als Fremde,

(04:42):
als Leute, die hierden Österreichern die Jobs
wegnehmen würden oderdie sie betrügen würden,
sehr verschrien.
Alles, was mit Geldzu tun hatte, wurde
automatisch mitden Juden quasi gleichgesetzt.

(05:03):
Wobei die Juden natürlichauch auf diesem Sektor eine
besondere Ausbildunggehabt haben. Sie sind
ja schon zu RothschildsZeiten eine ausgesuchte Gruppe
gewesen, die beieinem der Juden,
in Frankfurt hat er gelebt,diesen Ruf noch bestärkt hat.

(05:24):
Aber das Problem war nämlich,dass der zunehmende finanzielle,
menschliche Verkehr derBevölkerung innerhalb Europas,
ohne die Vermittlungdurch finanzielle
Tauschmöglichkeiten,gar nicht funktioniert hätte.

(05:46):
Es war halt einfach so.
Das war für die Judendamals in Wien ganz typisch.
Es gibt sogar eineGeschichte, die mir mein Vater
immer wieder erzählt hat,weil sie so gut als Beschreibung
der Situation gepasst hat,für das Schicksal der Juden.

(06:07):
Wer Jude gewesen ist und wanner wissenschaftlich
gearbeitet hat,die Universitätsprofessoren,
die jüdischen, das wareninsgesamt 163 oder sowas,
mehr als die Hälfte vondenen waren Juden.

(06:31):
Das waren wissenschaftlicharbeitende Menschen, die,
die versucht haben in ihremBereich Besonderes zu leisten.
Das hat auch dazu geführt,dass in den
Wirtschaftsbereichen dieJuden auch versucht haben,
die Möglichkeiten zu nutzen,einen Job zu finden.

(06:54):
Es war ja für dieChristen im Grunde,
und es ist bis heuteeigentlich so, das Handeln ist
eine, eine, ja,naja, kein Renommee für einen
christlichen Tiefgläubigen undfür einen Juden auch nicht.
Aber die Beziehung zum Geldwar natürlich eine

(07:16):
ganz andere, weil die Christenkonnten überall Jobs haben,
waren überall,sind überall in höhere
Positionen aufgerückt undhaben in den anderen
Berufen auch Vorteile gehabt.
Die Juden haben müssensuchen eine Möglichkeit,
sich davon auchein Scherzl abzuschneiden.
Und das war ebendie Ausbildung der Kinder.

(07:38):
In den orthodoxen Familienvor 38 war es bitte so,
dass Kinder der jüdischen,von jüdischen Eltern ab dem
dritten Geburtstag,nicht Lebensjahr,
ab dem dritten Geburtstagin die Schule gegangen sind.

(07:58):
Sie waren drei Jahre alt,und dann waren sie von der
religiösen Gemeinschaftdazu ausersehen,
also die Chance zu haben,die Sprache zu lernen.
Dazu wurden sie in Schulen,das waren die Synagogen.

(08:18):
Die Synagogen habenim jüdischen Leben auch
die Schulkassen,meistens die Schulgänge.
Auch wenn man am Sonntagzusammengekommen
ist mit anderen Leuten,meistens in der Schule zusammen.
Und das hat alsoganz sicher dazu geführt,
dass die Kinder der jüdischenFamilien natürlich schon

(08:39):
in den ersten Schulklassenab sechs Jahren ein bisschen
einen Vorspruch hatten.
Natürlich. Das hat ihnen nichtgut getan in der Gesellschaft.
Sie waren immerso quasi die Vorzugsschüler,
unter Anführungszeichen.
Und das hat so,das ist ja so im ganzen
System des Antisemitismus einganz wesentlicher

(09:01):
Teil gewesen. Aus der ganzen,auch schon Religionsgeschichte,
dass man sehr schwer dabeisich tut, zu sagen,
was ist der Grundfür Antisemitismus.
Das wissen wir ja an sichalle miteinander nicht.
Und einer der Gründe war,war dieser Drive

(09:27):
des Judentums in Richtungbessere Ausbildung,
nämlich weitereStudienausbildung, weil Studium
konnte jeder machen.
Waren nicht für Nichtjuden,die studiert haben.
Mit der Medizinwaren sie in den 20er Jahren
des vorigen Jahrhunderts,waren 50 % jüdische Studenten.

(09:50):
50 % jüdische Studenten,in einer Zeit,
wo in Wien 200.000Juden gelebt haben
und 2 Millionendavon Österreicher waren,
die dort gelebt haben.
Also wenn man dasin Relation dazu gesetzt hat,
war das eine überwiegende,und nicht nur in der Medizin,

(10:14):
das war in derRechtswissenschaft,
das war in der Technik,das war im Wirtschaftlichen,
überall sind diesejüdischen Kinder von den
Familien dazu angehaltenund dabei unterstützt worden,
weitere Bildung zu machen,andere Bildung,
sogenannte Bildung,die es ermöglicht einmal

(10:35):
unabhängig zu sein vonden Restriktionen
der jüdischen Organisationen.
Das war einfach so.
Und mein Vater, für den istgar nicht in Frage gekommen,
irgendwas anderes zu machen,obwohl es sehr viele Händler
in meiner Familie gegeben hat.

(10:56):
Mein Großvater hat schonim Handel gearbeitet und
studiert und war eine Zeitlang auch in Berlin
in einer Schule. Und er hatdann weitergearbeitet und
gelernt und war in Paris.
Mein Großvater hat 15 Jahreseines Berufslebens
in Paris zugebracht,als Prokurist in einer Bank.

(11:18):
Die Bank hat einem derVerwandten der Familie gehört.
Paris war eine höchstbeliebte Stadt bei den Juden,
weil dort hat derJude das Gefühl gehabt,
er ist ein normaler Mensch.
Das war im mittleren Europa,im Deutschen, war
das ganz anders.
Und das hat dieganze Situation des Judentums

(11:43):
sehr beeinflusst.
Und mein Vater hat, also,ist in einer jüdischen
Familie aufgezogen worden,die war säkular, die haben
sich nicht darum geschert,was ein Synagoge und
was man da macht.
Mein Vater hat gesagt,er hat in seinem Leben
vereinzelt bei Geburtstagen,also bei Hochzeiten oder so,

(12:04):
eine sogenannteKuppa mitgemacht, also diese
Verheiratung in der Synagoge.
Ja, aber das war alles.
Und das hat auch bewirkt,dass die ganze Situation
in diesen Familien eineganz andere war,
als hier bei den jüdischen,bei den gläubigen,

(12:26):
bei den christlichen Menschen.
Die hatten ja auchkeinen Grund gehabt,
darum zu fürchten,dass sie verhungern.
Denen ist es bessergegangen natürlich, ja.
Und einer der Gründe dafür,dass Israel gegründet worden
ist, war der, der Gründungsjude,der in Salzburg

(12:50):
im öffentlichen Dienstwar, als Jurist.
Den haben sie beiBeförderungen immer
links liegen lassen,dann ist er nach
Paris gegangen als Jurist unddort hat er ein bisschen
Karriere gemacht und hatgegründet eine Organisation
zurück nachIsrael, in ein eigenes Land.

(13:10):
Das war seine Idee,der berühmte, Herzl.
Herzl hat als erster dieseOrganisation zuwege gebracht,
die bewirkt hat,dass das ganze System einmal
in so Rollen kommt und dasses so etwas gegeben hat,

(13:31):
wie eine Sehnsucht nacheinem eigenen Land.
Weil die Juden sindja 2000 Jahre nach ihrer
Vertreibung aus Jerusalem,also Jerusalem,
in ganz Europa herumgereist,waren in verschiedensten
Gemeinden, haben also dorteigene kleine Staaten

(13:52):
gebildet, habeneigene Gemeinden,
eigene Verwaltungen gehabt.
Das haben also die damaligenMachthaber, die Regierenden,
die Könige, der Adel sehrrespektiert, weil die Juden
ihm sehr gut Steuern zahlt.
Also das war einkomplexes Gemisch von Geben,
Nehmen und einander,nicht umbringen,

(14:15):
sondern das war die Welt,in der mein Vater
noch aufgewachsen ist.
Mein Vater hat 20 Verwandtegehabt in Wien
in verschiedenen Bereichen.
Eine der Tanten meines Vaterswar im Wiener Gemeinderat
als Abgeordnete,die Tante Adele,
ich glaube Hirschenhauserhat sie geheißen.

(14:37):
Das ist die mütterliche Seitemeiner jüdischen Familie,
meiner Großmutter,meine Großmutter war auch eine
Jüdin, die hatHirschenhauser geheißen.
Mein Vater war Popper und diehaben einander kennengelernt
irgendwann einmal in Wien undUmgebung und haben
zusammengefunden. So war das.
Aber das ist einbisschen viel für das,

(14:57):
was Sie mich hier fragen.
Aber ich versuche das immerein bisschen auch in den
Schulen anzubringen.
Das ist nicht so.
Und das haben sichauch die normalen Juden,
die nicht ein bisschendeppert und arrogant waren,
haben sich dazu bekannt.
Wir sind nicht andersals die anderen.
Wir sind nicht gescheiterals die anderen.

(15:19):
Wir haben nur ein besseresSchulsystem am Anfang und
das nutzt uns.
Und die haben das weitergemacht.
Und im Studium auch.
Mein Vater hat erzählt,es war sehr wichtig
für die Familien,dass das Familienmitglied,
das Kind, das studiert,etwas studiert, das man als
Brotberuf bezeichnen kann.

(15:41):
Jurist, Ärzte, Anwälte,Wirtschaftler.
Waren auch noch Linguistikoder Kinesiologie oder was.
Mein Vater hat gesagt,wenn man eine Mutter gefragt
hat, was das Kind studiert,und das war nicht eines dieser
anerkannten Berufe,hat es geheißen Tinnefologie.
An Tinnef.
Ja. Tinnefologie.
Hat er gesagt.

(16:03):
In der Familie war das so.
Das hat nichts genutzt.
Das war nicht brauchbar.
Das ist so. Natürlich istes auch gemacht worden.
Natürlich gab es Philosophen,Literaten, alles.
Und großartige Leute.
Die haben meistensnicht studiert, sondern haben
an irgendwelchen Seitenästenihre Karrieren gemacht.
Aber das war. -Nein, einsehr bekannter ist ja der

(16:24):
Philosoph Karl Popper.
Der auch wichtige Spurenhinterlassen hat.
-Der Sir Karl Popper daswar wirklich ein entfernter
Cousin von meinem Vater.
Sie haben sich gekannt.
Bevor Karl Popper nachNeuseeland gegangen ist,
haben sie einmal gemeinsam diesoziale Rechtslage
in Österreich versucht,ein bisschen zu beeinflussen.

(16:45):
Mein Vater ist damalsschon sozialmedizinisch
interessiert gewesen,als junger Mann.
Und hat also in diesen Zirkeln,die sich darum gekümmert haben,
wie gefährlich ist Arbeit,was kann man machen und wie
kann man die Gefahrender Arbeit usw.

(17:07):
hintanhalten, minimieren.
Das war immer ein bisschenso sein Traum. Und das hat
er später auch beigehalten.
Und in dieser Richtung hater auch in seinen Jahren
in Bolivien gearbeitet.
Letztlich war mein Vater eineZeit lang der Sozialmediziner
in Wien. Es hat kaumandere gegeben.
Der Arbeitsmediziner.

(17:29):
Es hat welche gegeben,die nebenbei ein bisschen.
Mein Vater hatwissenschaftlich auf diesem
Sektor sehr viel gearbeitet.
Er ist dann mit derSPÖ in Kontakt gekommen.
Mein Vater war auch nach demKrieg einer der Gesetzesmacher
in den Fragen derGrundlagenwissenschaften

(17:54):
und auch der Politik.
Er hat so formuliert,artikuliert, hat Gesetze
geschrieben in der ASVGsind viele Gesetze.
Hat mein Vater geschrieben,die medizinischen Parts.
Und hat die anderenunterstützt mit medizinischen
zusätzlichen Informationen.

(18:17):
Das hat er gemacht.
Das war sein Leben.
-Wieso haben Ihre Elternnicht schon früher
Österreich verlassen?
-Meine Eltern gehörtenzu jenen Juden, die relativ früh
draufgekommen sind,dass es jetzt für sie aus
ist und dass sie weg müssen.
Sie haben nur nichtgeglaubt, dass man.

(18:38):
Dass man irgendwoewige Zeiten suchen
muss und nach einem Land,das Juden aufnimmt.
Weil damals, wie die Nazis beiuns einmarschiert sind,
die österreichischen Juden,die waren ja schon da,
war es so, dass.
Es war ein großes Problem,eine Möglichkeit zu finden,

(19:03):
aus diesem Dilemmaherauszukommen. Man hat
vor allem nicht gewusst,und ich weiß das von
meinen Eltern sehr genau,meine Eltern haben
nicht gewusst, und das weiß ich,weil ich nach dem Krieg öfter
mit ihnen darüberdiskutiert habe,
man hat nicht gewusst,dass mehr daraus wird,

(19:25):
als die im Judentumseit Jahrtausenden
bekannten Pogrome.
Die Pogrome waren Standardseit Tausenden von Jahren und
es gab Pogrome,wo tausende Menschen
umgekommen sind,besonders in Russland.
Das ist ein russisches Wortund das bedeutet
also eigentlich,ein Menschhatz in einer
Kommune, ist ein Pogrom.

(19:47):
Und ja, die haben das miterlebt.
Beziehungsweisedie Vorfahren der Vorfahren,
haben gewusst,wie das funktioniert und dass
es das gibt und siehaben geglaubt, im Jahr 38,
na ja, wir werden wiederunsere Watschen kriegen,
ja, aber wir habenes bisher überlebt,

(20:09):
wir werden es wieder überleben.
Es hat wirklich vonden Juden, die ich kannte und
ich habe sehr viele nachdem Krieg kennengelernt,
die Freunde meines Vaters undmeiner Eltern gewesen sind,
die nachher zu Besuchnach Wien gekommen sind,
es ist also keinervon denen mehr,
endgültig zurückgekommen,aber viele sind an Wien sehr

(20:31):
erkränkt und da kannteich eben welche,
die jedes Jahr ein,zwei Mal gekommen sind,
weil sie haben gesagt,das Herz bricht ihnen,
weil das war die Heimat,das waren ja nicht Junge,
so wie ich mit16 Monaten oder was,
die sind hier aufgewachsen,im Land, die waren 15, 20,

(20:55):
die waren 30, 40, 50,80 Jahre alt,
die wollten wieder nach Hause.
Das war der Traum allerJuden am Anfang, das wird,
wir müssen schauen,dass wir ausweichen,
lassen wir diesen Wirbelvergehen und wir kommen wieder.
Es war niemand,den ich kennengelernt habe,

(21:16):
von den jüdischenFreunden meiner Eltern,
hat nachher, auchder Bericht hat gesagt.
Hat gemeint, ich gehejetzt weg und auf Zeit,
damit eine Ruh' ist und dannwird schon alles besser

(21:36):
werden, aber die Haltung war so.
Also das Problem war nur das,dass sie, wenn sie aus
Österreich, ausDeutschland natürlich auch,
weggegangen sind, haben sieja müssen alles zurücklassen,
was ihnen gehört hat.
Das war die Frage, haben wirje wieder eine Chance?
Das war schon das erste großeDrama, für das ganze Judentum,

(21:59):
dass man gewusst hat,wir sind, die Verfolgungen,
sind wir gewohnt,in den kleinen jüdischen
Gemeinden, kleineren Ortenoder so weiter, ist ja meistens
sehr ruhig gewesen,aber in größeren,
mittleren und größeren,Gemeinden, gab
es manchmal schon Unruhe,weil 200.000 Juden,
die hier in der Gesellschaftgelebt haben und ihre

(22:19):
Geschäfte betrieben haben,das war halt manchmal
unangenehm für die normaleBevölkerung und das war so,
so wie es jetzt ist.
Wenn irgendeiner,der hier fremd ist sozusagen,
der nicht hier geboren ist,über Generationen hier lebt,
sich entwickeltund zu uns kommt, dann ist

(22:39):
das sehr problematisch,weil das ist immer
ein Fremder, das ist immer einAusländer, das
hängt uns bis heute nach.
Was heute die rechtsradikaleFPÖ macht, ist
genau das Gleiche, was damalsschon gemacht worden ist.
Das ist ja alles nicht neu.
Das sind ja keineneuen Erfindungen der Nazis.

(23:01):
Die Erfindungen,die neuen waren,
dass man in die Führung desNationalsozialismus fast nur
Menschen aufgenommen hat,die bereit waren
weiterzugehen, als bisher,die sich entschließen
konnten zu sagen,die Juden gehören eliminiert
und zwar ganz.
Das haben sie ja gemacht.

(23:23):
In der Wannsee-Konferenzim Jänner, 1942 war das
im Jänner, haben sieja beschlossen,
und das haben sie dokumentiert,diese Unterlagen gibt es,
kennt man ja als historischbewanderter Mensch, die
haben das niedergeschrieben.

(23:44):
Die haben so auch gesagt,wie das passieren soll.
Die haben auch gesagt,wir müssen das so machen,
dass das möglichstwenig auffällt. Wir, wir
können also heute wirklich nursagen, das versuche ich
es den Jungen auch klarzu machen, dass wir Menschen
alle gleich sind.
Das ist mein, eigentlichist das mein, mein Ziel bei

(24:05):
jedem Besuch in einer Schule,den Schülern einmal zu sagen,
egal wie alt sie sind,halt mit verschiedenen Worten,
wir sind alle miteinandergleich viel wert.
Wir sind die gleichenTrottel, wir sind
die gleichen Gescheiten, wirsind die gleichen Künstler.
Das ist ja nichtder Unterschied.
Der Unterschied istganz was anderes.

(24:26):
Das ist die Kultur,in der man über Jahrtausende
aufgewachsen ist.
Und diesen Vorzughatten die Jüdischen schon.
Also die Nobelpreisträger,die österreichischen aus
der Vorkriegszeit, ich glaube,ich weiß nicht,
da war der Wagner-Jauregg,ich glaube, das
war der einzige Nicht-Jude,aber sonst, es war sehr

(24:47):
viel auf diesem Sektor,auch in der Kunst,
auch in der Literatur,auch in der Musik.
Also das waren Leute,die nicht unbedingt aus
Druck ihres Talents,sondern manchmal aus
Überlebensgründen in solcheBereiche abgeschwirrt sind,

(25:10):
die dann im Künstlerischenzum Beispiel Karriere
gemacht haben.
Das waren die Schauspieler.
Die haben so auch geschaut,die haben musiziert,
die haben Schau gespielt,die haben viel gelesen.
In der Erziehung haben diejungen Juden aus der Torah,
aus dem Gesetzbuch des Judentumsoder vielleicht noch aus dem

(25:32):
Talmud, so viel mitgekriegt,dass sie eben anders geformt
hat als andere Menschen.
Und das ist wasich auch den Schülern sage,
das unterscheidet natürlichdie Juden von damals,
von den Flüchtlingenvon heute. Weil die Juden,
die damals in Europagelebt haben, zum Beispiel

(25:53):
hier in Österreich,die haben mit der Sprache
nicht so große Probleme gehabt.
Die haben sehrschnell Sprache gelernt,
weil sie haben müssen,überall wo sie waren,
Sprache lernen.
Und sie haben versucht – undsehr erfolgreich – ihre
Kinder und Kindeskinderin den Ländern wo jüdische
Gemeinden waren, im Sinne derLänder aufwachsen zu lassen.

(26:19):
Es gibt 613 Gesetze desJudentums, Religionsgesetze.
Und in diesen Religionsgesetzensteht drinnen, dass man,
wenn man in einem Land lebt,wo man quasi Gast ist,
dann muss man sich an dieGesetze des Landes halten.

(26:40):
Das ist ein religiöses Gesetz.
Es hat geheißen,ein ganz einfacher Satz aus
diesen Gesetzen war,wir müssen dafür sorgen,
dass es den Menschenin dem Land, wo wir wohnen,
arbeiten und verdienen,dass es denen gut geht.
Weil nur dann gehtes auch uns gut.

(27:01):
War auch nicht ganz selbstlos,aber es war ein schlauer Weg,
einer der schlauen Wege.
Und man hat alsowirklich versucht,
den Herrscher zu akzeptieren,zu respektieren,
seine Steuern zu zahlen,alles zu organisieren,
und im Interesse dieserHerrscher auch zu investieren.

(27:25):
Der Napoleon hatdavon auch gelebt,
dass ihm die RothschildsMilliarden geschenkt haben.
-Kommen wir zurückzu Ihrer Familiengeschichte.
-Das ist auch allesein Teil meiner Familie.
-Keine Frage.
Wieso sind Ihre Elternschließlich nach
Bolivien gegangen?
-Das war ganz einfach.
Sie haben gewusst,sie müssen raus.

(27:46):
Europa hat zunehmend keineLeute genommen, hat gesagt,
wir haben keinen Platz.
Es gab eine eigene,im 38er Jahr, gab es eine
eigene Konferenz,ich glaube am Gardasee,
in Evian jedenfalls,wo dieses Nest Evian ist.
Da sind da so, glaube ich,80 Leute aus der
ganzen Welt zusammengekommen,aus der Politik,

(28:08):
und die haben gesagt,wir müssen jetzt
etwas organisieren, dasswir diese Juden unterstützen.
Weil das geht nicht,dass man sie alle aus allen
Ländern raushaut.
Es haben ja solche Leutenatürlich auch gegeben.
Wir wissen das. Aber jedesLand hat sich bereit erklärt,
ja, wir nehmen hier,wie viele nehmen sie?

(28:30):
Das ist ein bisschen vomTausender aufwärts gegangen.
Das war unmöglich.
Diese ganze Gruppe,wenn man bedenkt,
dass laut Berechnungen desNationalsozialismus bei der
Wannsee-Konferenzgeschrieben worden ist,

(28:53):
es gibt in Europa11 Millionen Juden,
kann man nicht sagen, ja,das ist eine Kleinigkeit.
Das war einfach, dem istman ja nicht entkommen,
dass man die Realitätensich bewusst macht.

(29:15):
Und die Länder, die großzügigwaren, auch Bolivien.
Bolivien war im Jahr 38,39 das letzte Land,
das noch Visa ausgestellt hat.
Sonst hat man überhauptkeine mehr gekriegt.
Und jedes Land hat Angst gehabt.
Und die Deutschen habenin allen Ländern ihre

(29:37):
Nazipropaganda gehabt.
Nicht nur in Europa,in anderen Ländern auch.
Und sie haben in allen Länderngesagt, das sind Unmenschen.
Die sind unbrauchbar.
Das sind Gauner und Diebe.
Die müssen wir.
Und die anderenLänder haben gesagt,
die hauen jetzt die Juden raus,weil das so miese Figuren sind.
Und wir sollen sie aufnehmen?
Das versteht man nicht.

(30:01):
Und das ist etwas,was in gewissem Sinne
auch in unserem heutigenLeben ein bisschen mitklingt.
Also der Fehler,glaube ich, an diesen Dingen.
Und das glauben ja,glaube ich, ja, das denke ich,
das lese ich auch,schon viele Politiker oder
Politikwissenschaftler,die sagen, das muss man

(30:23):
politisch lösen,aber anders als heute.
Wir müssen ein System haben,in dem wir jene unterstützen,
die wirklich unterDruck stehen, um deren Leben
es geht und die wir in einemgewissen Rahmen auch bei uns
so versorgen können,dass sie wie normale Menschen
bei uns leben können.
Und diese Respektlosigkeitgegenüber anderer Art

(30:45):
von Leben, gegenüber anderemAussehen, anderer Sprache,
anderer Haarfarbe, anderer,ja, das ist verschwunden,
mehr oder weniger.
Heutzutage hätten wir,glaube ich, bei einer
ernsthaften, ernsthaftdaran arbeitenden politischen

(31:11):
Richtung die Chance,das in den Griff zu kriegen,
Frieden zu stiften in jedemLand und nicht einfach
abschieben undim Meer untergehen lassen.
Das sind ja Dinge,die beschämend sind für
eine Bevölkerung.

(31:32):
Das ist etwas, was ich niewirklich begriffen habe.
Und ich habe achteinhalbJahre gelebt als
Kind unter Indios.
Meine Mitschülerwaren alle Indios.
Das war so.
Und die Sprache,der Fremde war ich dort.
Aber ja,das waren keine bösen Leute.

(31:54):
-Waren Sie integriert dort?
Oder wie schnell ging es,dass Sie integriert
worden sind in Bolivien?
-Integriert?
Ich kann nicht sagen. Ich habe,mein Bewusstsein ist erwacht.
Da war ich eineinhalb,zwei Jahre oder mehr,
eher mehr in Bolivien.
Mein Bruder war drei Jahre.
Ich weiß nicht,wie viele da schon
integriert wurden.

(32:17):
Das Integrieren ist eine Frageder Zeit und der Möglichkeiten,
die irgendwo geboten werden.
Und, ja, man tut sich manchmalschwer und manchmal tun
sich die, die integrieren sichschwer, aber grundsätzlich

(32:37):
hängt es immeran der Haltung der Menschen
gegenüber anderen Menschen.
Und das ist so einer derInhalte auch der normalen
Konfessionen, dass man sagt,alle Menschen sind gleich.
Alle, ja, ist auch nochnicht so, ganz so frisch,
ganz so, so eingegangenin die, bis ins

(32:58):
Mark in Österreich und,und in anderen Gegenden.
Aber grundsätzlich,ist das meiner
Meinung nach der einzige Weg,den man gehen kann.
Also, für mich ist das allesunbegreiflich und für
mich und ich denke für jeden,der, der weiß, wie man ein
Leben leben sollte und könnteund aufbauen kann, wäre eine,

(33:18):
eine große soziale Weltdie einzig mögliche Rettung.
-Wie ging es Ihnen in Bolivien?
Ihr Vater hat als Arztdort gearbeitet.
Ihre Mutter hatdann als Krankenschwester
auch mitgeholfen.
-In Bolivien war es so,dass mein Vater
angestellt worden istvom bolivianischen

(33:45):
Militär als Arzt,weil die haben Ärzte gesucht.
Die Bolivianer damals überhaupt,Ärzte, das hat
es ja fast nicht gegeben.
Im ganzen Dschungel,hier und da einmal
irgendwo einen, nicht?
Aber die,ein Gesundheitssystem ist
bis heute ein Krankenscheinoder eine E-Card oder
so irgendeine ganze Sache.

(34:06):
Das ist ja alles,das gibt es ja alles nicht.
Aber zur Arbeitmeiner Eltern, meine,
mein Vater war als, als,als Garnisonsarzt in Bolivien
eingesetzt.
Natürlich, als Ausländer,natürlich an den Grenzen
im Chaco, im Dschungel,wo kein Bolivianer
hingegangen ist,freiwillig, oder?
Das waren Militärärzte,aber das sind, das sind als,
das waren Indios,die dort hingeschickt

(34:27):
worden sind, nicht?
Die haben mit meinemVater zusammengearbeitet, aber
durch das keiner von die,die, die, die engagierten
bolivianischen Ärzte,die renommierten
bolivianischen Ärzte,die sind in den Hauptstädten
gesessen und habenkassiert, nicht?
Also einen Krankenschein,aber das, das hat sich alles

(34:48):
da überhaupt nichtgegeben, nicht? Weil, wenn
man mit dem, mit dem Auto inBolivien unterwegs gewesen
ist und einen Unfallüberhaupt gehabt hat,
Bolivien ist 13 Malso groß wie Österreich, nicht?
Rettungsorganisationgibt es in dem Sinn nicht.
Es gibt hier undda den einen oder
anderen Flieger vom Militäroder sogar Hubschrauber.

(35:11):
Doch Hilfe hat es nicht gegeben.
Ich war mit meinenfünf Enkeln in Bolivien.
Wir sind diese sogenannteTodesstraße hinuntergefahren.
Ich bin nur Beifahrer gewesenim Auto, weil ich
gesagt habe, mit dem Radmachen ich das nicht.
Meine Kinder, die Enkel,haben gesagt,
wir schaffen das. Und, undich habe die darüber
nachgedacht, was mache ich,wenn da einer stürzt und

(35:34):
bricht sich einenHax'n? Es ist ja da niemand.
Da, da muss man wirklichnicht lange fragen, warum man
dort nicht bleibt.
Keine Chance in solchen Fällen.
Keine Chance. Wenn manam Titicacasee Skifahren
fährt, der Titicacasee,dort sind wir gewesen jetzt,

(35:56):
mit meinen Enkeln,da waren wir in einem Boot,
da sind wir zu den,zu den Inkastatuen haben wir
hingeschaut, weil dasja auch sehr interessant ist,
die Inkas undihre Entwicklung. Und, äh,
sind am Titicacasee gefahrenund von einer Insel in die
andere und, äh,auf einer Insel ist auf einmal

(36:18):
ein Wind aufgekommen,so eine kleine Insel.
Da waren, da waren Steinmauernaufgestellt, die
ohne Mörtel als Bauwerke,die haben die Inkas so
geschlagen, dass das passtdort und das ist nie mehr
umgestürzt, aber das hat manauf diesen Inseln gesehen,
wir haben uns das angeschaut,aber ist ein Wind aufgekommen,

(36:41):
ein Sturm.
Ein richtiger Sturm.
Wir sind in das Boot, dann mitviel Mühe eingestiegen,
weil das hat sich,das hat sich so bewegt und
geschaukelt, daswar ein Boot, da sind 20,
25 Leute drin gewesen,vielleicht auch 30.
Das hat geschaukelt undgeknarrt wie ein irgendein
alte Türe, die man auf undzu macht, auf und wir sind

(37:05):
so am Titicacasee gefahren.
Der ist – ja – zweimalso groß wie das Burgenland,
da waren wir am See,der ist 100 Meter tief und
er ist, liegt er 4000 Meterungefähr und er ist mehr
als 12, 13 Grad plus hat dasWasser nicht und die, ja,

(37:25):
ich hab dann begonnen drübernachzudenken, was mach ich,
wann da jetzt mit dem Bootwas ist, weil in einem 12,
13 Grad Wasser kann manvielleicht sogar ein
paar Stunden überstehen,aber in ein paar Stunden
kommt dort nirgendwo eineHilfe, gibt's ja nicht.
Also, ich hab mich gefürcht,also, ich habe,

(37:49):
ich bin ausgestiegen ausdiesem schlingenden Boot und,
und, und, und habeso einmal ausnahmsweise ein
Stoßgebet zu allen Götternund Teufeln dieser
Welt geschickt,weil das ist ja unglaublich,
das sind ja selbst gebastelteBoote von den Indios
und du hast nie gewusst,die zerbreselt's manchmal,

(38:09):
ist halt so, das ist, also,das dort zu leben und,
und in diesem Land zu leben,wo, wo unsere europäische
Kultur nicht bekannt ist,interessanterweise,
die Indios im Dschungelhaben gewusst, dass es einen,

(38:32):
wie sie das genannt haben,Juan Estraus gibt.
Juan Estraus, meinVater hat am Anfang,
das hat er auch beschriebenin seinem, hat er gesagt,
am Anfang habenwir nicht gewusst,
was wollen, was ist das?
Juan heißt Johann, Estraus heißtdeswegen Estraus, weil,
weil ein S und ein T stehen,Konsonant, hintereinander,

(38:54):
dann spricht mandas eben so aus, man sagt dann
Estraus, nicht Strauss.
Da, da haben wir gewusst,es gibt Vienna, es gibt
Wiener Walzer, Vienna Walzer,haben meinen Vater gefragt,
ob er da den ganzen Tag tanzt,normalerweise in Österreich,
die, die haben nichtsvon all dem gewusst,

(39:15):
aber Wien und Wiener Walzerund Wiener Schnitzel
und Sachertorte,das sind so Sachen,
ein bisschen, diees vielleicht eher jetzt
noch merken, meine,meine Mutter hat
dort Sachertorten gemacht,im großen, im Dschungel,
in einem, in einem Ofenaus Lehm und hat da die
Bevölkerung ein bisschendamit versorgt,

(39:37):
die waren ganz begeistert, so,die alle, Biskuitrouladen,
so, wie eine Schnitzel,wir haben so, meine Mutter hat
die Chance gehabt,so, manchmal so,
Fleisch zu kriegen, wo manauch Schnitzel machen kann,
und wir haben manchmalBesuche gehabt von
europäischen, von,von Geistlichen, die,
die ihre, äh, äh, äh,Schäfchen besucht haben

(40:00):
und von anderen Menschen undvon Leuten, die
nach dem Krieg gekommen sind,nach dem Krieg,
war ein bisschen suspekt,aber die sind aus, aus Graz
oder aus Innsbruck und,und die sind dann
zu uns gekommen,in den Dschungel und meine,
wenn jemand Deutsch gesprochenhat und gekommen ist zu uns,
hat meine Mutter gesagt,versucht, irgendwo eine
Schnitzel zuwegezubringen,nicht, sie hat wie

(40:20):
eine Schnitzel,da hat es einen gegeben,
der hat so immer,von Zeit zu Zeit gefragt,
wie es ausschaut, er hätte gerneeinmal vorbeikommen,
so, also, das istja so etwas, was,
also für uns Kinder war dasschon nichts, gar nichts,
wir haben, wir habennicht gewusst, was man alles,
was es alles nicht gibt,wir haben, wenn,
wenn mich wer gefragt hat,bei unserem Verlassen

(40:43):
von Bolivien.
Wo ich hinfahre.
Ob ich dorthin fahre,wo die Kängurus sind und
da habe ich gesagt, nein,das ist, das ist Australia,
Austria ist Europa, was habensie gesagt, wo ist Europa,
habe ich gesagt, es heißt so,Europa, dort ist Vienna und,
und das ist Austria und,und ich habe keine Ahnung

(41:04):
gehabt von der Geografie.
Das war kein Land,in dem meine Eltern
sich vorstellen konnten,die Kinder großzuziehen
und uns, wir waren dannda vier Personen,
meine zwei Schwestern,die in Bolivien geboren sind,
wir waren dann sechs Personen,als ein Ganzes, als Familie,

(41:28):
dann darüber nachzudenken,ob wir nicht nach USA gehen
sollen, wo mein Vatereh angespeist war, weil er,
damals, wie er in dieUSA wollte, im 38er Jahr,
39er Jahr, haben sie ihm,haben sie ihn nicht genommen,
die haben sich,ja, der hat dann gesagt,
mit denen will ichnichts mehr zu tun haben,
und, und, und außerdem,in Österreich, war die Mutter

(41:49):
meiner Mutter und dieSchwester meiner Mutter und,
und, und meine,die Geschichte meines Vaters,
die ganze Familie,die in Wien gewohnt,
die haben da,wo das Diana-Bad einmal war,
in Wien, da haben sie also das,eines ihrer Geschäfte gehabt
und da, in der Nähe ganz,in der Nähe war
die Getreidebörse,da hat einer der Onkel
meines Vaters gearbeitet,die waren also dort daheim,

(42:10):
das waren so, Wirtschaftler da,die waren also integriert
in der Gesellschaft, das war.
Das, das ist also etwas,was, deswegen kann ich mit der
Religion auch nicht so,so viel anfangen,
das darf man gar nichtlaut sagen, aber, ich, ich,
für mich ist dieSchicksalsgemeinschaft,

(42:31):
in der ich aufgewachsen bin,wirklich entscheidend gewesen,
und ist es,überhaupt keine Frage, weil,
meine ganze Familie, die da,einmal gelebt hat, in Wien,
und, sich, verstreut hat,in der ganzen Welt,
der Bruder meines Vaters,der ohne, ohne Papiere aus
Österreich aus ist,da haben sie ihn gefangen,
dort war er in Brüssel,in einem Auffanglager,

(42:53):
dort hat er, eine BerlinerJüdin kennengelernt, ja,
die kamen aus Berlin,auch in das Auffanglager,
und, mit, und die hater ihm gesagt, ja,
sie hat Verwandte in Riode Janeiro, und du fährst
jetzt hin, weil, da hat es,da hat es eine Möglichkeit,
die hat er mitgenommen,und er hat gesagt,
ja, und die sind,die sind dann zusammengezogen,

(43:14):
und geheiratet, und,der ist nie wieder
nach Österreich, also,zu Besuch schon, aber,
der ist in Brasilien,in Rio de Janeiro gestorben,
der hat natürlicheinen Job gehabt, das ist
ihm gut gegangen, aber.
Ja, die anderen, die immerwieder zu Besuch kamen,
aus Tasmanien sogar einer,und, natürlich aus Australien

(43:34):
ein paar, und aus,aus Shanghai ein paar, und,
und aus Amerika, aus USA,da war da so diese,
diese Verwandtschaftmeines Vaters, der,
der Hans Popper, der sogarmit meinem Vater studiert hat,
der Cousin, der nähere,der nähere Cousin zu meinem
Vater, als, als der Sir Karl,und, der hat, wie ich ihn zum
ersten Mal gesehen habe,im Jahr, 47, 57,

(43:58):
zehn Jahre nach dem Krieg,da war er im Studium schon,
57, hat er erzähltmeinem Vater, ja,
er hat den Sir Karleh getroffen, vor kurzem,
die haben sich getroffen,irgendwo in New York,
weil der hat dort irgendwaszu tun gehabt, und, die,
die waren noch in Kontakt,und, aber der, dieser,
dieser Hans Popper,hat aber damals auch gesagt,

(44:20):
nach Österreich, nach Wien,nie wieder, der hat seine
Karriere gemacht, der war,Chef der Pathologie
im Mount Sinai Hospital,in New York, der war,
der hat eine, eine, äh,Mount Sinai School
of Medicine gegründet,der Hans Popper,

(44:40):
und hat unterrichtet in derColumbia University,
und war dort zum Schluss einervon den Dekanen, dem ist
gut gegangen, der hat also,Österreich ist vorbei, ne,
das ist vorbei,also da sind viele gewesen,
die gesagt haben,das kommt nicht mehr in Frage,
und dann gab es viele,die gesagt haben,
ohne Österreich kannich nicht leben,

(45:01):
alles hat es gegeben.
-Und der Unterschiedzu Ihrer Familie
war wahrscheinlich,dass in Bolivien die
Dekanen Chancen geben, heran?
-Jede Chance. JedeChance. Wir waren
ja Ausländer, bis zum Schluss,wir waren ja nicht
Staatsbürger, mein Vater war,ähm, äh, Ausländer,
und ist dort, und hat vonAnfang an gesagt,
da kann ich nicht bleiben,weil, da haben meine Kinder
keine Chance in der Zukunft,was sollen die da hier?

(45:26):
Und er hat, damit hater recht gehabt,
weil es ist bis jetzt,sehr problematisch.
Ich habe so einen, äh,einen Deutschen
kennengelernt, der geborenist, 1943 schon, in,
in Bolivien, der dann, äh,mit Unterstützung
der deutschen Regierungen,ein Stipendium bekommen hat,

(45:48):
für das Studiumder Politologie in Berlin,
und der später,von dieser Organisation auch,
in verschiedene Städte,er war dann in, in Mexiko City,
er war in Buenos Aires,und natürlich, in La Paz,
an der Universitätgearbeitet hat, nicht?
Ja, aber, der, wenn ich jetzt,in den letzten Jahren,

(46:12):
wo ich noch in Kontakt hattemit ihm geredet,
hat er gesagt, er hätte gehen,er hätte müssen gleich heim,
das ist, man hat keine Chance,keine gescheite Pension,
der kann nicht nach Österreichfliegen, dass er sich
da einen Freund trifft,oder was, es geht über,
die haben nichts, nichts,und das ist ja, ja,
braucht man das, ist dieandere Frage, nicht?

(46:35):
Wir haben alsKinder nichts braucht, ja?
So war das. -1947 sindIhre Eltern, mit vier Kindern,
nicht mehr zwei,sondern vier Kindern,
zurückgegangen in Wien. Ja.
Sie haben schon geschildert,welche Motive
dahinter standen. Ja. Wie ginges den Eltern, und auch Ihnen,

(46:57):
die ja in Bolivienaufgewachsen sind,
also vor allem Ihr Bruder undSie, Sie waren neun Jahre alt,
wie Sie zurückgekommen sind,wie ging es Ihnen dann in Wien,
in einer zerbombten Stadt?
-Für uns besonders fürmeinen Bruder und für mich,
also da ist nochein Unterschied, eben,
weil meine beiden Schwestern,die in Bolivien zur Welt

(47:19):
gekommen sind, die älterevon ihnen war im Jahr 47,
wie wir gekommen sind,war sie sechs Jahre alt.
Ja, war nicht, die Jüngere,die war erst zweieinhalb
Jahre alt, die hat überhaupt,das war für die,
so wie für mich,beim Runterfahren nach
Bolivien war Europa nichts,hat es nicht gegeben,

(47:42):
so gibt es für sie,es ist ein Land,
ein Kontinent, ja,mehr hat sie nicht,
Beziehung, wir,die Älteren, wir haben,
wie wir nach Österreichgekommen sind, und das muss ich
sagen zuerst einmal,das war im Dezember
des Jahres 47,da haben wir so gefroren,

(48:02):
dass wir gesagt haben sofort,wir schauen, dass
wir irgendeinen Beruf lernenund fahren heim
nach Bolivien. Das war füruns, es hätte ja wirklich
kein Outdoor-Equipmentgegeben, wie es heute,
das kann man sich gar nichtmehr vorstellen,
wir halten zu einer normalenHose so lange weiße Strümpfe

(48:23):
mit Strumpfhaltern anziehen,wir Buben, also zur Not, ja,
das war wärmer, also wir haben,unsere Mutter hat uns solche
Hosen zusammengenäht und so,und das ist, und die Schuhe,
die Schuhe waren,das war eine besondere Form
von Pappendeckel,das war das sogenannte Leder

(48:45):
und das andere war eineHolzsohle und wir sind mit dem
gegangen und im Winternoch keine warmen Socken,
gar nichts und füruns war das eine Katastrophe,
uns haben die Füße weh da,die erste Zeit,
weil wir haben Blasengekriegt an alle Ecken und
Enden, das waren wir nichteinmal gewöhnt, ja,
und grundsätzlich war unsdie Kälte eher schon ein

(49:10):
bisschen zuwider, alsoes war nicht so, dass wir,
dass wir da das Gefühl hatten,jetzt sind wir wieder daheim,
wir waren weg von zu Hause,wir haben, das einzige,
wo es einmal angenehm war,war in Bolivien
das letzte Jahr in La Paz,liegt fast 4000 Meter hoch
und das Klima geht, das heißt,ob Sommer ist, Winter ist,

(49:31):
ist wurst, weilder Temperaturunterschied war
nicht so groß und Schneesieht man von den Bergen,
die irgendwo weiter weg sind,das ist weiß, mehr haben
wir nicht gewusst,was Schnee ist,
haben wir nicht gewusst,was eine Rodel ist,
haben wir nicht gewusst,was Ski sind, das hat
es ja fast vielleichtin Österreich in manchen

(49:54):
Familien gegeben,weiß ich nicht,
aber wir waren ahnungslos,wir haben also,
und wir haben gemeint,wir gehen zurück und ersparen
uns dieses ganze, das neue,das Essen, mit diesem,
mit diesem Geruch, das warein bisschen anders als das,
was wir gewohnt waren,weil wir, wir haben also sehr
viel Mais und solche Sachenunten gegessen,

(50:15):
verschiedene Gerichte ausMais und Empanadas haben wir
gegessen und, und, und,verschiedene andere Sachen.
-Orangen, glaube ich,waren dabei, Südfrüchte,
die man in Wiennicht gekannt hat.
-Also das schon gar nicht,das habe ich in der Schule
auch alle mal erzählt,wir haben, wenn man Fußball
gespielt hat, wirhaben ja keine Bälle gehabt,

(50:37):
als Kinder, im Dschungel,das hat es ja nicht gegeben,
ein Gummiball,also meine Mutter hat manchmal
aus ein paar Fetzenein Ball gemacht,
aber nach einem Match,spätestens nach dem 2. oder
3. ist das zerfleddertgewesen, war hin.
Und dann sind wir,wann's Zeit warm und dann ja,
zu einem von diesen Bäumen,haben auch nicht von den
großen Orangen abgenommen,haben mit der Orange

(50:58):
weiter gespielt,wir haben mit der
Orange Fußball gespielt,die haben die,
unsere Schulkollegen habennicht gewusst, was, ja,
sie haben schonBilder davon gesehen, aber,
wie das schmeckt,oder was das ist, Bananen,
die haben keineAhnung gehabt, was Bananen,
wie es ausschaut, da habensie gezeichnet gesehen,
Zeichnungen gesehen, aber,wir haben dort verschiedenes,

(51:21):
Südfrüchte, wirhaben ein Essen gehabt,
das in sehr vielenFällen aus, aus,
über Kohle gebratenemFleisch bestanden hat und,
und, und Maisin verschiedensten Fassionen,
da gab es Mais und Asado,das gebratene Fleisch war
so als Hauptspeise und,und Geflügel hat es nur
da gegeben, da hates so alles Mögliche gegeben

(51:41):
und, da haben wir,ja, und wir hatten damals dort
eigentlich im, im Nahbereich,also am Haus, so eine Art
kleine Landwirtschaft mitEnten und Gänsen und mit,
mit, äh, natürlich Hühnern,natürlich, äh, anderen

(52:01):
Viechern, äh, wir hatten alsokeine größeren Viecher,
aber die Schweinchen habenwir von den Bauern irgendwo
bezogen und so, also, das warschon möglich, da zu
überleben und, es ist unsnichts abgegangen, weil,
irgendwelche Besonderheiten,also, Dessert, Honig hat
es gegeben und, und, aus, ähZucker, also,

(52:28):
Zuckerrohr gemacht, äh,eine, eine Süßspeise,
das ist ein, ein Brocken,ein brauner Brocken,
das schaut aus wie so einKaramell ähnlich
und so weiter, das war eh nurFrucht, das war nur Zucker,
der Zucker, der Zuckerstauden,also, und das haben wir,
das haben wir gegessen,geschluckt, ja, das war, ja,
man weiß, hat, ja,also zum Geburtstag von uns

(52:53):
Kindern hat's immer eineTorte gegeben, das
hat meine Mutter gemacht und,das war schon was Besonderes
und, sonst haben wir,haben wir, dort, eigentlich,
wir waren auch nicht verwöhntmit irgendetwas,
wir haben, dort,einige Weihnachtsfeiern

(53:14):
erlebt, in Bolivien,mein Vater hat, aus so einem
Stock von einem Besenzusammengebastelten
Christbaum gehabt,der hat also so, äh,
zusammengeschnittenePapiernadeln sozusagen gehabt
und die waren auf einem Draht,das, äh, die Äste

(53:38):
waren Draht, man hat daskönnen zusammenlegen und eine
in den Kasten und das nächsteMal hat man es wieder
aufgebogen bei den nächstenWeihnachten und hat also
dort Weihnachten gespielt,wir haben nicht gewusst,
was das ist, Weihnachten,das gibt es ja dort nicht,
also es gibt schon,aber Geschenke und diese
ganzen Sachen undin Gran Chaco war das so,
da haben wir eigene,sogar mein Vater

(53:59):
von irgendwelchen,seiner Reisen im Namen des
Militärs manchmal so kleineKerzen mitgebracht,
da hat er dann, äh, so eine,äh, eine Klemme gehabt,
wo man das fixieren konnte under hat einen Baum gestellt
und dann, wo ist,ist das angezündet worden,
diese, dieser Baum und daswar so, dass wir Kinder
da nicht zuschauen durftenund, dann hat irgendeine

(54:19):
Glocke geläutet und dann sindwir in das Zimmer
hineingegangen, da haben,auf diesem Stock mit diesen
ausgefransten Asteln hat,haben ein paar
Kerzen gebrannt und,dann hat es geheißen,
geschwind, geschwind, kommt's,was braucht ihr so lange,
weil während der,mein Vater das angezündet hat
und geläutet hat,diese Kerzen haben angefangen

(54:41):
sich zu verändern, es hat 45,44, 45 Grad gehabt
im Schatten, das war Sommer,Dezember war in Bolivien
Sommer und die höchsteTemperatur, die mein Vater,
er selber Messmöglichkeitengehabt hat mit
Thermometern und so,49 Grad war die

(55:02):
höchste Temperatur,die wir erlebt haben in,
im südlichen Bolivienin Gran Chaco,
in La Paz waren es 20,war schon ein bisschen kühl,
nicht, aber, ja,das war im Winter.
War wirklich kein Problem,weil, wir hatten im Winter
dort hatten schoneinen Mantel an oder so,

(55:24):
das hat's nicht gegeben,hat man auch nicht gebraucht,
das war, für, also füruns war die, das Österreich
eine Offenbarung insofernals wir vieles
kennengelernt haben,von dem wir überhaupt
keine Ahnung gehabt haben,den Krampus, also,
an das erinnere ich mich sehrgut, wir sind so Anfang
Dezember gekommen undam nächsten Tag kommt

(55:46):
da einer an die Tür in der,in der, in der Herbststraße
im dritten Stock auf einmalklopft's und raschelt's
und so weiter und,die Mutter geht hin,
macht die Tür auf, also,stürzt einer rein mit
Maske und, und Rute undkommt zu uns Kindern und,

(56:07):
und fängt an aufuns her zu prügeln und,
mein Vater hat sich so kurzdazwischen geschmissen, da,
äh, die Schwester meinerMutter war verheiratet mit
einem Eisenbahner, derdann, übrigens, ein Arbeiter,
der während des Krieges eingestörter, äh,
sturer Nazi gewesen ist und,na, der hat uns dann empfangen,

(56:33):
wie wir wieder nachÖsterreich gekommen sind
und der hat uns wollen eineFreude machen, Krampus,
also, mein Bruder und ich,wir, da hat uns unsere Mutter
dann erklärt, dassdas nicht so ernst ist und,
das war Horror, ja, das war, ja.
-Kann ich mir OhOh mein Gott. -Das waren die
Dinge und in der Schule wardas Problem natürlich das,

(56:55):
dass wir die Sprache nichtwirklich beherrscht haben,
wir haben sehr baldgelernt uns mit, äh,
den Worten zurechtzufinden,aber, die Schüler
haben uns oft Worte gelehrt,beigebracht und haben uns
dazu eine Bedeutung gesagt undmanchmal sind wir
da nach Hause gegangen damitund haben das gesagt und

(57:17):
meine Mutter hat dann einenroten Schädel gekriegt,
das waren ordinäre Sachen,das haben wir, also,
am Anfang nicht überrissen,aber wie, ich bin ja in der,
im 16. Bezirk in dieVolksschule gegangen,
in der Koppstraße,das war nicht weit von
der Herbtstraße, äh,eine Parallelgasse und, äh,
da haben wir, also, ähm,ja. Haben wir, also,

(57:41):
am Anfang, äh unsnoch gegenseitig auch ein
bisschen erschreckt, aber,dann haben wir festgestellt,
wir, wenn wir ein neues Worthören, müssen wir drüber reden,
was es wirklich bedeutet,bevor wir es sagen, net, also,
wir haben uns ja Schimpfwortebeigebracht und die

(58:02):
Bedingungen des Lebens,net, man ist, ja, man ist
ja überall auch hingekommen,wir sind ja, wir haben
ja Urlaube gemacht,auch in Bolivien,
mit den Eltern,hier in Österreich und da,
da sind wir halt mit,mit dem Zug irgendwo
hingefahren und waren da zwei,drei Wochen, das war damals
in den 40ern und 50ern war dasso, zwei Wochen Urlaub,

(58:24):
da hat's, einmal,äh, ja, was, zwei
Wochen Urlaub hat geheißen,na ja, sieben,
acht Tage einmal regnet's,nicht, und, es hat damals
viel geregnet, und wir warenverzweifelt, weil in Bolivien
hat es zur Regenzeit geregnet,da sind alle

(58:44):
Flüsse übergegangen, alle,die trockenen Flussläufe,
waren auf einmal gefüllt,das war also ganz spannend
zu schauen, wasda runter kommt und, ja,
wir haben hier in Österreichein anderes Wetter
kennengelernt, jedenfalls einanderes Essen kennengelernt,
diese, diese, diese. Äh.

(59:08):
Wie heißt die, gebrannte Hunde,diese Kartoffeln, dieser,
ein bisschen saureKartoffelschmarren, der,
der mit einem Einbrennengemacht war, so.
Hat scheußlichgeschmeckt, nicht.
Scheußlich, wir haben sowasin Bolivien nie gegessen,
das ist, jetzt esse ich auchlieber Pommes frites, also,
na gut, also, es hat sichvieles für uns geändert, und.

(59:30):
-Es ist, auf der anderenSeite ist aber die Intention
der Eltern tatsächlichaufgegangen, also, die Kinder
haben einen Beruf gelernt,eine Karriere gemacht,
als Arzt im Burgenland,..
-Ich war ja mit den Kindernin Bolivien, also,
das war eine Hetz für die,aber dort wieder runter.

(59:53):
-Ja, wäre ein völliganderes Leben gewesen.
-Ja, das wäre für europäischeBegriffe kein Leben gewesen,
und, wenn man,wenn man sich das überlegt,
und, und nichtso viel als andere kennt,
kann man natürlich auchsich überlegen,
für uns Kinder war dasschon schön, wir haben ja,

(01:00:15):
in der Schule, wir haben ja,ich bin dort viereinhalb Jahre
in die Schule gegangen,mit fünf habe ich angefangen,
wir haben ja nie einenLehrer gehabt, eine Lehrerin,
sondern einen Aufpasser,also, das waren meistens,
waren das, das warenFreundinnen vom Bürgermeister,
oder von irgendeinem,von diesen Beamten,
oder von einem Chef,vom Militär, die haben diesen

(01:00:36):
Job gekriegt, nicht,weil das, die mussten nichts
anderes können,als lesen und schreiben,
und das kleine Einmaleins,das hat, das haben wir
unterrichtet bekommen,mehr gab's nicht, und,
das hat bald werzusammengebracht, aber,
das war, wie wir unten waren,kann man sagen, also,

(01:00:56):
75 Prozent waren Analphabeten,die haben erzählen können,
alles mögliche, Geschichten,Raubersgeschichten,
haben wir genug gehört,sind zum Teil sogar
in diesem Buch einige drinnen,wie uns die erzählt haben,
was für, was für Viecheres im Wald alles gibt,
und so, und, ja, das ist,das war für uns, für uns

(01:01:18):
ein Erlebnis, das war für uns,in den Schulen hat uns,
hat uns, haben uns dieMitschüler öfter
zu verstehen gegeben,meinem Bruder und mir,
euch ist ja eh gut gegangen,ihr habt's immer
alles gehabt, und wir Armen,haben müssen in Österreich
bleiben und den Krieg erleben,und die Lehrer haben sowas

(01:01:40):
ähnliches auch gesagt,und das haben Lehrer,
die gesagt haben, also,diese Leute, die
da zurückkommen,zuerst haben sie
sich geschlichen, wie Krieg war,und jetzt kommen sie wieder,
so ist das interpretiertworden, also, uns gegenüber
auch, selbst in der Schule,wo mein Bruder und
ich noch manchmal wirklich,wir haben schlechtes Gewissen

(01:02:01):
gehabt, weil wir unserenMitschülern erzählt haben,
wie schön das war,in Bolivien, und da war
kein Schuss, da war kein nix,und die haben den Krieg
gehabt, ja, unddas ist etwas, was uns,
ja, dass man nichtwirklich genug schätzen kann,

(01:02:23):
dass wir eine Kindheiterlebt hatten,
ja, das war, also,das war vorbei, und deswegen,
mein Bruder, bei dem war das,er war älter als ich,
bei dem war dasnoch viel länger,
das hat lange angehalten,der hat gesagt,
das hält er nicht ausin Österreich, er will das,
er will weg, und hat dasdann so auch eine Zeit lang,

(01:02:47):
ja, Reisen gemacht,auch nach Bolivien,
nach Südamerika zumindest,mehr weiß ich nicht,
wir haben keinen Kontakt,also, wir Geschwister,
ich habe ja bis zu meinem 16.
Lebensjahr, da war er schon18, aber, wir haben ja quasi
ein Leben lang im selbenZimmer geschlafen.
-Aber, da sieht man,wie sehr das Menschen prägt,

(01:03:09):
wenn sie neu anfangen müssen.
-Ja, aber er war immerschon, er war als Kind auch
schon ein Einzelgänger.
Ja, also, von Kindheit an,also, meine Mutter
hat das erzählt,da war er in dem Park,
in dem man ja normalerweisenicht hat dürfen,
aber es gab einpaar so Beserlparks in Wien,
da hat, das waren so dreckigeDinger, da haben die Juden
auch hinein dürfen und da sindwir spielen gegangen mit dem

(01:03:31):
Opa und der hat uns dorthingeführt und hat aufpasst
oder so, oder weniger,weiß ich nicht, aber jedenfalls,
die Mutter hat uns manchmaldann geholt vom Spielplatz und
dann hat sie meinem Vaterin die Schweiz in den Brief
geschrieben, also,was mir so Sorgen macht ist,
der Peter, mein Bruder,der sitzt immer irgendwo

(01:03:55):
allein und spielt sich mitsich allein und der Lutz ist
immer mitten drinnenim ärgsten Dreck und der ist
bei allen dabei, das warwirklich ein Unterschied,
das hat sie in denBriefen artikuliert.
-Sie haben die AufzeichnungenIhrer Eltern in zwei Bücher

(01:04:17):
verfasst, Bolivienfür Gringos, das 2004 oder
2005 erschienen ist, 2005,und Briefe aus einer
versinkenden Welt, 1938, 1939,wo Sie die Briefe,
den BriefkontaktIhrer Eltern in einem Buch...
-In einem die Vertreibung,also, die Vertreibung aus

(01:04:37):
Österreich ist mir später erstals Ereignis bewusst
geworden, da habe ich dieBriefe, die mein Vater, das,
was mein Vater in Boliviengeschrieben hat,
das habe ich, das warMaschinen-geschrieben, nicht,
und, nein, es warhandgeschrieben,
meine Schwester hat es schoneinmal in die Maschine
geklopft, aber ich habe danndiese Handschrift,

(01:04:58):
wie mein Vater gestorben ist,wie die ganzen Sachen
in der Erbschaft übernommen,weil es hat keiner
haben wollen, und ich habealso das dann in den Computer
hineindiktiert und habe da,also, diese Texte und habe
daraus dieses Buch gemacht.
Es lesen, dort wo ich siehergegeben habe,
vorwiegend die Frauen.

(01:05:22):
Weil das, das, was meine,wie es meiner Mutter
gegangen ist, istfür viele Frauen
nachvollziehbarer, also,dass sie da allein war,
dann in Wien undso weiter und nachher,
und alles, sie hat ja in Wiendann alles für die Ausreise
in unbekannte Regionen unddann auch Bolivien hat sie ja

(01:05:46):
da organisieren müssen,beim Wanderungsamt und bei den
Passämtern und überall,ist heute und hat
da so geschaut, dass die,mein Vater hat da geschrieben
und da haben, ja,bitte da habe ich
wissenschaftlicheArbeiten deponiert,
auch im Dekanat,bitte hol das alles,
was mir gehören könnte,das brauche ich vielleicht
einmal und so weiter, sie hatdas alles zusammengesammelt,

(01:06:08):
ja, also das Dekanathat ihm dann zum Schluss
angeschrieben, sogarmeinen Vater, wo drin steht,
nachdem sie, nachdemsie quasi ein Jud sind,
werden sie nicht Dozent werden,aber sie können sich die
Papiere im Dekanat holen,das war 38, im Juni 38 und
das hat er so natürlichgeholt, nicht er,

(01:06:28):
meine Mutter, die ist alsodann hin und hat also das
alles zusammengesammelt,er war am Anfang bis,
bis August 38 war mein Vaternoch in Wien, hat also auch
ein bisschen was da getan unddiese Unterlagen,
die haben wir halt noch,das ist ganz praktisch,
wenn Befunde, wenn alsoBriefe und, und

(01:06:50):
solche Sachen da sind als,als Dokument und das,
das ist allesim Dokumentationszentrum des
österreichischen Widerstandes,alles, die originalen Briefe,
Befunde habe ich alle,ich sie zusammengesammelt,
der hat also im Archivdes Dokumentationszentrums
ist ein Archiv Popper undda sind die Sachen,

(01:07:13):
die ganzen, die Zeugnisse aufSpanisch, die meine
Mutter bekommen hat,mein Vater bekommen hat,
das ist alles da drinnen,das Original jeweils,
das andere habe ichim Computer, die Bilder,
die ich herzeigeden Kindern in den Schulen,
das habe ich ja im Computer,aber ich habe die alle,

(01:07:34):
was original ist,an einer Stelle zusammen
gesammelt und habe gesagt,für den Fall, dass es
Studenten gibt,die da irgendwas suchen,
kann ja nicht schaden,und es ist dort, ich weiß nicht,
ob es genutzt wird,oder jedenfalls.
-So interessant und aufregenddiese Familiengeschichte

(01:07:55):
ist und ihr Leben war,führen Sie – eine letzte Frage
– führen Sie selbst Tagebuch?
-Ich führe kein Tagebuch,nein, das hat mein Vater
interessanterweise schon alsJunge gemacht, mein Vater hat,
wie er 14 Jahre warund in der Schweiz gelebt hat
damals, hat dort maturiertin der Schweiz, in Zürich,

(01:08:18):
und Ausflüge gemacht hat,auf eine Wanderung gegangen
oder mit der Schule,hat ein Tagebuch geführt und
hat sogar seineLehrer gezeichnet,
es gibt ein paar soKarikaturen von seinen
Lehrern und so und Gedichtevon, von, über, naja,
ein paar so Gedichte eines14-Jährigen über die große

(01:08:40):
Liebe und solche Sachen,also, das habe ich, das ist
auch ein Dokument dazu,alles gesammelt
im Dokumentationszentrum,jeder kann sich
das Original da reinschauen,man kann also dorthin gehen
und in den Briefen meinerEltern blättern,
die sind ja zum Teil so dünn,dass das fünf Blattl sind,

(01:09:00):
was so ein Blattl ist,also Flugpapier, das hat
ja für Flugpostbriefe eigenesPapier gegeben,
weil das so leicht ist,ja, und da ist es manchmal
ein bisschen vergilbt,und die Schrift
meiner Mutter zu lesen.
Ich konnte alles lesen,weil ich ihre Schrift kannte,

(01:09:22):
aber es ist kurrent,wer sich nicht auskennt,
der kann das nicht so ganz,wobei von Dokumenten habe ich
mir kurrent auch übersetzenlassen zum Teil von Leuten,
die das kennen, weil daswar eine andere Schrift,
die sie vor 100 Jahrennoch gelernt haben.
-Lieber Herr Popper,so viele Geschichten es noch

(01:09:43):
gebe oder so vieleAnekdoten und Aspekte,
vielen Dank für das Gespräch.
-Ich danke, dass ich einbisschen die Möglichkeit habe,
zu erzählen, was ichnatürlich als Zeitzeuge
sowieso immer wieder nutze,aber da sind die Themen

(01:10:03):
ein bisschen vielleichtanders, grundsätzlich aber
erzähle ich natürlich,diskutiere ich die
Schulgeschichte genauer,ich bin nur in den Schule
gegangen, und habeniemals, ich habe einmal
in meinem Leben ein Zeugnisbekommen, das war
im letzten Jahr, 47,in La Paz, dieses Zeugnis
liegt da übrigens auch im DÖW,wo es von den anderen

(01:10:31):
Schulaufenthalten gab,hatte ich nie ein Zeugnis,
das war, mein Vaterhat gewusst, mein Mutter,
da war ich dort, aber,ob ich was ich zu der Note
gekriegt habe, wir habennichts gelernt, ich meine
gelernt im Sinnevon Strebern, das habe ich
nicht gekannt,das hat es nicht gegeben.
-Vielen Dank für den wirklichsehr beeindruckenden Einblick

(01:10:54):
in einen Teil Ihres Lebens.
-Ich danke, dass wir dasso machen dürfen, und dass
es noch so angekommen ist,dass man versteht,
was ich meine.

(01:11:15):
-Zu Gast bei BarbaraKedl-Hecher war Zeitzeuge Lutz
Elija Popper.
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